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Gut denken, gut reden, gut handeln: Eine Seite aus dem besprochenen Buch.

© Egmont

"Also schwieg Zarathustra": Was Zarathustra noch zu sagen hätte

Reportage, politische Abhandlung, poetische Würdigung: Nicolas Wild erkundet mit den Mitteln des Comics das Schicksal einer religiösen Minderheit im Iran.

Die islamische Revolution und ihre Führer dominieren das Bild des Iran im Westen, auch aufgrund der hartnäckigen Bemühungen des Regimes, sich Atomwaffen zu beschaffen, und seiner Unterstützung terroristischer Aktivitäten. Comic-Leser haben in den letzten Jahren immerhin durch Marjane Satrapis "Persepolis" (Edition Moderne) und "Die besten Feinde" von David B. und Jean-Pierre Filiu (Avant) die Möglichkeit erhalten, komplexere Eindrücke der persischen Geschichte und der gesellschaftlichen Wirklichkeit im heutigen Iran zu gewinnen.

Der neue Band von Nicolas Wild, "Also schwieg Zarathustra", erweitert das Spektrum noch einmal, nämlich um Geschichte und Lebenswirklichkeit der religiösen Minderheit der Zoroastrier. Der Elsässer Wild, Absolvent der Straßburger Kunsthochschule, wurde in Frankreich durch seinen wunderbaren Afghanistan-Bericht „Kabul Disco“ bekannt, der bisher leider noch nicht in Deutschland erschienen ist (Wilds Comic-Reportage zu Flüchtlingen in Nepal findet sich hier).

Auch Freddy Mercury gehörte dazu

Der Zoroastrismus ist in Deutschland wenig bekannt, allenfalls kennt man einige bekannte Zoroastrier, zum Beispiel den verstorbenen Sänger von Queen, Freddie Mercury (geboren als Farrokh Bulsara), und die indische Industriellen-Familie Tata. Viele Leser werden den Titel des Bands mit Friedrich Nietzsches „Also sprach Zarathustra“ in Verbindung bringen. Während es Nietzsche allerdings um die Überwindung von Moral ging, um den Bereich „jenseits von Gut und Böse“, ging es dem historischen Zarathustra, Stifter und Propheten des Zoroastrismus, um die Begründung einer durch starke moralische Prinzipien gekennzeichnete Religion.

Von der Realität inspiriert: Das Buchcover.
Von der Realität inspiriert: Das Buchcover.

© Egmont

Etwas arbiträr ordnet Wild sein „fiktionales Werk auf der Grundlage wahrer Begebenheiten“ entlang der drei Leitsätze des Zoroastrismus: gut denken, gut reden, gut handeln. Tatsächlich kommt die Geschichte nämlich sogleich durch „gutes Handeln“ in Gang. Wild, der in Afghanistan etwas Persisch gelernt hat, hilft am Pariser Kanal St. Martin einem afghanischen Flüchtling, ein Telefongespräch zu führen und lernt dadurch die Tochter des 2006 in Genf ermordeten Kyros Yazdani kennen, dessen Projekt eines zoroastrischen Kulturzentrums im iranischen Yazd nun vollendet werden soll.

Eine große erzählerische und zeichnerische Leistung

Aus der Zufallsbegegnung entspinnt sich ein Abenteuer, in der Wild seine Erkundung der zoroastrischen Religion und Minderheit mit einem Bericht über seine Iran-Reise (anlässlich der Eröffnung des Zentrums) und mit einer Reportage zum Verlauf des Prozesses gegen den mutmaßlichen Mörder von Yazdani äußerst geschickt verknüpft. Dies ist durchaus mehr als „unterhaltsam“ (Klappentext).

Wild gelingt in recht nüchternen schwarz-weißen Zeichnungen, die an Jason Lutes erinnern und überwiegend in neun Panels pro Seite angeordnet sind, eine originelle Mischung von journalistischer Reportage, politischer Abhandlung und poetischer Würdigung einer vom Aussterben bedrohten religiösen Minderheit.

Trotz nicht-linearer Erzählweise, einer Fülle von Protagonisten und eines großen Erzählzeitraums zeichnet sich der Band durch narrative und grafische Klarheit aus und die Figuren sind stets unterscheidbar und komplex. Dass die Darstellung des Zoroastrismus als eine der ältesten monotheistischen Religionen der tatsächlichen Vielfalt der in der Welt verstreuten Zoroastrier nicht recht wiedergibt, fällt gegenüber der großen erzählerischen und zeichnerischen Leistung Wilds nicht ins Gewicht: Sein Band macht neugierig, mehr über die Geschichte und Realität der Zoroastrier zu erfahren.

Nicolas Wild: Also schwieg Zarathustra, Egmont, 224 Seiten, 19,99 Euro

Thomas Greven

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