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Eine Seite aus „Die Gruftis“.

© toonfish / „Die Gruftis“

Comics für Kinder und Jugendliche: Geschichten, die jungen Lesern Mut machen

Mit Comic-Erzählungen voller Witz, Empathie und authentischen Hauptfiguren helfen drei Zeichnerinnen Kindern und Teenagern durch Krisen und Selbstzweifel.  

Von Heike Byn

Die Nase zu breit, die Brauen unperfekt, die Lippen zu schmal? Während Tiktok-Videos Teenies Tipps für eine immer absurdere Selbstoptimierung ins Hirn hämmern, haben die Held:innen in aktuellen Comics und Graphic Novels wirklich Probleme. Und ihre geistigen Mütter gleich hilfreiche Angebote zu deren Lösung.

Für Magali Le Huches elfjähriges Ich ist es in der autobiografischen Graphic Novel „Nowhere Girl“ (Aus dem Französischen von Silv Bannenberg, Handlettering von Céline Merrien, Reprodukt, 120 S., 24 €) die Musik der Beatles, die sie während einer zwei Jahre dauernden, unerträglichen Phase der Schulphobie nicht aufgeben lässt.

Durch Zufall entdeckt das empfindsame Mädchen 1991 die „Fab Four“ als Rettungsanker und taucht nerdig ab in deren Leben und Schaffen. Auch wortwörtlich – wenn Magali tagträumend ein gelbes U-Boot besteigt, sobald ihr alles zu viel wird: der Schulstress, das Gespött der Mitschülerinnen angesichts ihres Musikgeschmacks, dem Gefühlschaos der beginnenden Pubertät. Bis Magali ganz unten angekommen ist und sich traut, langsam wieder aufzutauchen.

Eine Seite aus  „Nowhere Girl“.
Eine Seite aus  „Nowhere Girl“.

© Reprodukt

Dabei hilft ihr auch eine andere, neue Lieblingsbeschäftigung – das Zeichnen. Die ausdrucksstarken, nur durch Orange (Magalis Haare) oder Rosa (ihre Perspektive und Gefühle) unterbrochenen Schwarz-Weiß-Zeichnungen erzählen von Magalis Alltag. Sie explodieren jedoch in einem formatfüllenden psychedelischen Farbrausch, wenn die Musik der Beatles das Mädchen einhüllt und wegträgt.

Damit kennen sich auch Teenager von heute aus: mit der Wirkung von Lieblingssongs als Droge und Therapie, deren Texte scheinbar nur fürs eigene Leben und Leiden geschrieben wurden.

Das Geheimnis des Friedhofs

Auch für die Zwillinge Colin und Clara ist das Leben nicht gerade leicht: Ihre Eltern sind Bestatter und betreuen einen Friedhof, auf dem die Geschwister wie selbstverständlich abhängen. Mobbing und Ausgrenzung in der Schule sind deshalb an der Tagesordnung, Freunde haben sie keine.

Eine Seite aus „Die Gruftis“.
Eine Seite aus „Die Gruftis“.

© toonfish

Als die beiden auf dem Friedhof ein Geheimnis entdecken und dem nachgehen, entwickelt sich Léa Mazés Graphic Novel „Die Gruftis“ (Übersetzung Tanja Krämling, toonfish, 240 S., 39,95 €) von einer Außenseitergeschichte zu einem abenteuerlichen Krimi mit Plot-Twists und Mystery-Elementen. Und einer immergrünen Botschaft: Es ist anstrengend, gegen den Strom zu schwimmen, doch du kannst auch so dein Ziel erreichen und dir dabei noch treu bleiben.

Dem dynamischen Inhalt und den aktionsgeladenen Szenen passt sich die Panelaufteilung an. An besonders dramatischen Stellen finden sich formatfüllende Zeichnungen, die Mazés Talent beweisen: mit wenigen Farben für viel Atmosphäre und Charakterzeichnung zu sorgen oder mit hellen Lichtreflexen Nachtszenen eindrücklich zu beleuchten.

Der Geist im Bettlaken

Den Tod der Mutter verkraften, die Wäscherei der Familie über Wasser halten, sich mit anspruchsvollen Kund:innen herumschlagen und den stressigen Schulalltag aushalten – das sind einige der Herausforderungen, denen die Hauptfigur der Comic-Erzählung „Sheets. Am Ende bleibt uns nur ein Bettlaken“ (Übersetzung Matthias Wieland, Cross Cult, 240 S., 25 €) gegenübersteht.

Eine Seite aus „Sheets. Am Ende bleibt uns nur ein Bettlaken“.
Eine Seite aus „Sheets. Am Ende bleibt uns nur ein Bettlaken“.

© Cross Cult

Außerdem muss sich die 13-jährige Marjorie erst noch damit abfinden, dass ein ruheloser Geist sich ein Bettlaken in ihrem Laden als Brücke zwischen Jenseits und Diesseits ausgesucht hat.

Brenna Thummler gelingt es in ihrem Graphic Novel-Debüt, all das stimmig zwischen zwei Buchdeckeln unterzubringen. Dazu gestaltet sie die Welt ihrer überzeugenden Heldin mit viel Identifikationspotenzial in zarten Pastelltönen und geordneter Panelstruktur.

Die Titelbilder der drei vorgestellten Bücher.
Die Titelbilder der drei vorgestellten Bücher.

© Reprodukt, toonfish, Cross Cult

Farben und Formate ändern sich jedoch, wenn Situationskomik und absurde Dialoge mit Geist Wendell Marjories deprimierenden Alltag aufbrechen oder ihre Gefühle von Trauer, Verlust und tiefer Verunsicherung mehr Raum bekommen.

Beeindruckend, wie Thummler dem Geist im Bettlaken nur mit dunklen Augenhöhlen und schmalem Faltenmund Charakter verleiht. Eine Geschichte, die sowohl gut unterhält als auch berührt – und zeigt, dass sich wahre Freundschaft manchmal wie nicht von dieser Welt anfühlt.

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