zum Hauptinhalt
"Als Zeichnerin lebt man wie ein Mönch": Marjane Satrapi will sich weiter dem Filmemachen widmen.

© dpa

Interview: „Damit bin ich durch“

Marjane Satrapi liebt es melodramatisch. Jetzt hat die Comic-Autorin nach „Persepolis“ zum zweiten Mal ein eigenes Buch verfilmt. Im Interview spricht sie über das Verhältnis von Graphic Novels und Kino.

Mit ihrer Comic-Autobiografie „Persepolis“, in der sie ihre Kindheit und Jugendjahre in Teheran und Wien schildert, gelang Marjane Satrapi (42) ein vielfach ausgezeichneter Bestseller. Ihre Kinoadaption war 2008 für den Oscar als bester nichtenglischsprachiger Film nominiert. Nun hat die in Paris lebende Regisseurin erneut eine Graphic Novel aus eigener Feder verfilmt. In „Huhn mit Pflaumen“, der am 5. Januar in Deutschland anläuft, erzählt sie die von der unglücklichen Liebe eines Musikers im Teheran der 50er Jahre. Im Gespräch mit Axel Schock spricht sie über die Faszination des Kinos und ihre Vorliebe fürs Melodram.

„Huhn mit Pflaumen“ ist ein Melodram von geradezu altmodischer Art und Weise - was reizt Sie an diesem Genre?
Marjane Satrapi: Das Melodram ist für mich am Kino das Wichtigste überhaupt. Ich liebe es, wenn die Dinge größer als im wahren Leben wirken. Aber nur zwei Dinge sehen auf der Leinwand tatsächlich besser aus als in der Realität: der Krieg und die Liebe. Krieg ist etwas wirklich Scheußliches. Ich weiß das aus eigener Erfahrung, schließlich habe ich vier Jahre Krieg miterleben müssen. Und die Liebe ist im wahren Leben nie so pathetisch wie im Kino. Einen Kriegsfilm würde ich nie drehen wollen, blieb also ein Liebesfilm.

Sie hätten ja auch einen Film über eine glückliche Liebe machen können.
Mal ganz ehrlich: Würden wir heute noch über Romeo und Julia reden, wenn die beiden geheiratet hätten? Zehn Jahre später wäre sie eine dicke italienische Mamma geworden und Romeo hätte von der vielen Pasta eine Wampe bekommen. Würde uns das interessieren? Nein! Alle Filme, an die ich mich gut erinnern kann, hatten ein trauriges Ende. Filme mit einem Happy End sorgen zwar für einen guten Moment, aber sie sind dann auch gleich
wieder vergessen.

Die Wahl des richtigen Hauptdarstellers war sicherlich nicht einfach. Hatten Sie von Anfang an Mathieu Amalric für diese Rolle im Kopf?
Er war meine erste, meine zweite und meine dritte Wahl. Und das war wirklich ein Problem. Hätte er Nein gesagt, hätte ich keinerlei Alternative gehabt.

Unglückliche Liebe: Eine Seite aus der Graphic Novel „Huhn mit Pflaumen“.
Unglückliche Liebe: Eine Seite aus der Graphic Novel „Huhn mit Pflaumen“.

© Edition Moderne

Und hat er gleich zugesagt?
Ich hatte ihm ganz offen gestanden, dass ich mich ganz auf ihn verlasse - und es blieb ihm nichts anderes übrig.

Und wie war es mit Isabella Rossellini?
Ich hatte sie angerufen und ihr ganz zaghaft mein Anliegen vorgebracht. Ich war noch nicht damit fertig, da hatte sie mit ihrer kräftigen Stimme und ihrem schönen italienischen Akzent schon gesagt „Na, klar ich bin dabei.“ Ich fragte, ob sie denn nicht wenigstens das Skript vorher lesen möchte. Sie sagte aber nur: „Ich suche mir nie Filme nach den Drehbüchern aus, sondern nach den Menschen mit denen ich arbeiten möchte.“ Ich hatte bei der Besetzung wirklich großes Glück!

Wie unterscheidet sich die Arbeit am Film von der an einem Comic?
Als Comic-Zeichnerin lebt man wie ein Mönch. Es ist ein sehr einsamer Akt, Bild für Bild zu zeichnen. Andererseits: Will ich in meiner Geschichte 50 Helikopter durchs Bild fliegen lassen, dann zeichne ich eben 50 Helikopter. Mir sitzt kein Produzent im Nacken und sagt: „Dafür reicht aber das Budget nicht.“ Wenn ich einen Film drehe, kommt es mir so vor, als würde ich drei Jahre binnen vier Monaten leben. Es herrscht eine derartige Hektik, dass es manchmal unerträglich ist. Bis dann der Tag kommt, an dem man den fertigen Film zum ersten Mal auf der Leinwand sieht.

Liebe und Leid: "Huhn mit Pflaumen" mit Mathieu Amalric und Golshifteh Farahani zählt ebenfalls zu den beliebteren Comicverfilmungen.
Liebe und Leid: "Huhn mit Pflaumen" mit Mathieu Amalric und Golshifteh Farahani zählt ebenfalls zu den beliebteren Comicverfilmungen.

© Promo

Was macht diese Faszination aus?
Es ist unvorstellbar, dass in einem Saal 1500 Menschen sitzen und zur gleichen Zeit in der gleichen Geschwindigkeit deinen Comic lesen und du ihre Reaktionen dabei beobachten kannst. Das Kino aber macht das möglich. Dieser Moment hat eine Energie, die unbeschreiblich ist. Diesem Gefühl kommt wahrscheinlich nur der Gebrauch harter Drogen nah. Du bist völlig high und du weißt, dass dieser Moment nur kurz andauern wird, aber er ist großartig.

Ihre Filme basieren beide auf eigenen Graphic Novels. Haben Sie schon daran gedacht, einmal ein Originaldrehbuch zu schreiben?
Mein nächster Film wird ganz sicherlich keine Adaption mehr sein. Damit bin ich durch. Es ist, um ehrlich zu sein, auch sehr langweilig. Abgesehen davon, habe ich derzeit auch gar keinen Comic mehr in der Hinterhand, den ich verfilmen könnte.
(dapd)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false