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Versteckter Hinweis auf die Anfänge: Rags Morales' Coverbild für den Relaunch von "Action Comics".

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Interview: „Supermans schwache Seite zeigen? Das ist einfach!“

Was würden Sie Superman-Zeichner Rags Morales fragen? Das fragten wir unsere Leser anlässlich des 75. Jahrestags des Comic-Helden und des aktuellen Kinofilms „Man of Steel“, bevor wir den Künstler kürzlich zum Interview trafen. Hier eine Auswahl der eingesandten Fragen und seine Antworten darauf.

Was würde passieren, wenn Superman auf die Simpsons trifft?
Ich habe kürzlich mit Simpsons-Zeichner Nathan Kane darüber gesprochen. Der sagte mir: Da gäbe es einen Krusty-Hamburger-Esswettbewerb zwischen Homer Simpson und Superman. Dann tauchen die Familien von Jerry Siegel und Joe Shuster auf und beklagen sich in der Show über die Verletzung der Urheberrechte. Und dann würde Mr. Burns sich mit dem Copyright davonstehlen.

Wieso ist Superman mit 75 noch nicht in Rente?
Man lässt ihn einfach nicht. Es gibt zu viele böse Jungs. Er steht für alle Tugenden, die wir uns wünschen. Er hat eine einfache, starke Geschichte mit einer emotionalen Botschaft zu bieten: Tue Gutes und lächle dabei.

Auf dem Cover des ersten Heftes von „Action Comics“ nach dem Relaunch vom vergangenen Jahr haben Sie einen Hinweis auf 1938 versteckt, das Jahr, in dem einst das erste Heft mit Superman erschien. Wie weit hat man als Zeichner die Freiheit, solche „Ostereier“ zu verstecken – und welche Art von verstecktem Hinweis würden Sie sich wünschen?
Wir machen so etwas hin und wieder, weil es die Monotonie aufbricht. Künstler wie Jim Aparo haben Andeutungen bezüglich seines nächsten Gast-Stars in „The Brave and the Bold“ untergebracht. Es ist eine Möglichkeit, das Publikum direkt anzusprechen und zu sehen, wer die Hinweise versteht. Was ich mir wünschen würde? Einen Hinweis auf mich. So wie es Joe Bennet bei „Hawkman“ gemacht hat: Er hat dort ein Morales-Straßenschild in einer Szene versteckt, nachdem ich mit dem Zeichnen an der Reihe aufgehört habe, das war eine große Ehre für mich. Normalerweise muss man erst in Rente gehen, bevor einem so etwas passiert.

Wieso finden besonders viele Leute gerade Superman entweder sehr langweilig oder großartig?
Er ist eine sehr polarisierende Figur. Manche Leute finden ihn langweilig, weil er das Original ist. Er ist ihnen zu klassisch. Und genau deswegen lieben ihn andere Menschen: Weil er der erste war. Alle folgenden Helden hatten wahrscheinlich mehr Tiefgang und interessantere Hintergrundgeschichten. Batman zum Beispiel ist ein viel komplizierterer Charakter. Aber Superman repräsentiert eben all das, was wir gerne wären – und das ist nicht jedermanns Sache.

Wieso braucht die Welt einen Superman?
Weil wir nicht unfehlbar sind. Wir neigen dazu, unsere Leben unnötig kompliziert zu machen. Dabei geht es in den meisten Fällen einfach darum, zwischen richtig und falsch zu unterscheiden. Und am Ende geht es einfach um einen Jungen, seinen Hund und seine Eltern. Was könnte eine einfachere und schönere Botschaft als das sein?

Superman hat den größten Wiedererkennungswert unter allen Comic-Helden. Ist das für Sie als Künstler ein Segen oder ein Fluch?
Es mag naiv klingen, aber ich selbst habe keinen besonderen Druck gespürt, als ich den Auftrag bekam. Ich habe meinen Profi-Hut aufgesetzt und das Ganze wie jeden anderen Antrag auch ausgeführt und analysiert, was ich tun muss, um den Job gut zu erledigen. Dennoch bin ich mir bewusst, dass ich hier nicht nur mit einer Figur zu tun habe, sondern auch mit ihrer Geschichte. Und auch wenn es klare Muster gibt, wie die Figur dargestellt werden sollte, gibt es doch Variablen, die man als Künstler einsetzen kann, um der Figur eine eigene Note zu geben. Dann kann man nur noch hoffen, dass das gut ankommt. In der Hinsicht hatte ich großes Glück – auch weil es die erste Ausgabe mit Superman-Abenteuern nach dem Relaunch war.

Superman-Zeichner: Rags Morales.
Superman-Zeichner: Rags Morales.

© Lars von Töne

Welches ist Ihre liebste Superman-Hommage in einem anderen Medium?
Als Kind habe ich viele Folgen der Fernsehshow „I Love Lucy“ aus den 1950ern gesehen, die damals wiederholt wurden. Daher ist meine liebste Hommage der Auftritt von George Reeves (?) als Superman. Und dann bekommt Lucy ihr eigenes Super-Outfit und sie hängen zusammen auf einem Fenstervorsprung ab – das hat mir großen Spaß gemacht.

Welches Superman-Crossover mit anderen Helden oder Schurken wäre für Sie besonders spannend?
Ich würde sagen: Darkseid. Auch, weil ich als Künstler bislang noch nicht mit den New Gods zu tun hatte.

Was ist Ihr persönliches Krypton?
Jess, meine Verlobte. Ich bin ein eigensinniger, arroganter Mensch – und sie ist das genaue Gegenteil.

Als Superman-Zeichner treten Sie in große Fußstapfen anderer Superman-Zeichner. Erhöht das den Druck – und wie finden Sie Ihren eigenen Stil, ohne das Erbe der Figur zu verwässern?
Es gab eine Zeit, als ich „Identity Crisis“ zeichnete, da fand ich, ich wurde den Figuren nicht gerecht. Aber ich meine Defizite motivieren mich. Ich denke immer, ich kann es noch besser hinkriegen – daher ist die größte Herausforderung mein eigenes Ideal zu erreichen und so gut zu arbeiten wie möglich. Und was wir im Fall der neuen Superman-Geschichten in „Action Comics“ Nummer 1 versucht haben, ist so nahe wie möglich an die Originale von Joe Shuster und Jerry Siegel heranzukommen. Ich glaube, gerade in den ersten vier Heften haben wir das im Zusammenspiel von Autor und Zeichner ganz gut hinbekommen.

Was ist die größte Herausforderung, wenn Sie sich an den Zeichentisch setzen?
Mich zu motivieren. Es dauert immer sehr lange, bis der Motor warmgelaufen ist und ich in die Gänge komme. Aber wenn ich dann erstmal laufe, kann ich nicht mehr aufhören.

Wie zeigen Sie die schwachen Seiten von Superman?
Das ist einfach, denn die starke Seite ist so dominant. Die ist vor allem in seiner Brust und seiner Haartolle zu sehen. Und wenn Du ihn schwach zeigen willst, musst Du nur seine Schultern etwas beugen und die Haarlocke plätten – sofort ist er das Gegenteil von stark.

Was repräsentiert Superman für Sie?
Alles, was gut ist. Das Streben nach Besserem. Hoffnung. Das witzige ist: Ich habe viele konservative Fans, für die er  konservative Werte repräsentiert. Dabei ist er für mich ein politisch eher links stehender Liberaler, der sich vor allem um die Leute kümmert, die hilflos sind und von anderen ausgenutzt werden. Und das sind 99 Prozent von uns.

Was ist Ihre Erwartung an den Film „Man of Steel“, der diese Tage ins Kino kommt.
Ich freue mich sehr darauf. Die Trailer, die ich gesehen habe, gefielen mir sehr. Jedes Mal, wenn ein neuer Regisseur die Figur übernimmt, stellt er andere Aspekte der Figur in den Vordergrund. Richard Donner hat eher das Staunen und das Fantastische in den Mittelpunkt gestellt. Und in dem neuen Film geht es eher um das Gefühl der Entfremdung, wenn man so besonders ist, und welche Herausforderungen das mit sich bringt. Das klingt sehr aufregend.

Welchen Schulabschluss hat Superman?
Den von der Schule der harten Kinnhaken.

In Ihrem Blog schrieben Sie, sie hätten bezüglich des Superman-Auftrages etwas ganz anderes erwartet als bekommen, was eine große Herausforderung gewesen sei. Wie meinen Sie das?
Es war naiv von mir zu denken, dies wäre nur ein Auftrag wie jeder andere – vor allem wegen der Größe des Projekts in den Augen anderer Menschen. Es war klar, dass ich mein Bestes gebe, aber alleine in seinem Atelier vergisst man manchmal, welche Erwartungen die Menschen da draußen haben.

Ein Leser empfindet Ihren Blog-Eintrag zu Thema Superman als sehr traurig und nimmt an, es habe wohl nicht sehr viel Spaß gemacht, mit dem Autor Grant Morrison zusammenzuarbeiten…
Nein, es war einfach nur sehr anders. Er hat einen ganz anderen Stil als die meisten anderen Autoren. Andere Autoren sind zum Beispiel einfacher zu erreichen, wenn man Dinge besprechen will. Manche sind offener für den Austausch von Ideen und nehmen auch Anregungen von Zeichnern auf. Aber mit Grant ist das anders. Bei anderen Autoren ist es zudem so, dass man als Zeichner beim Skript einiges findet, das überflüssig ist und auf das man verzichten kann. Bei Grant hingegen wird jede Idee gezielt eingesetzt und nichts einfach so hinzugefügt. Daher war die größte Herausforderung, einerseits ökonomisch zu arbeiten und andererseits die Anforderungen von Grant Morrisons Drehbuch zu erfüllen. Das ist nicht einfach, denn Grant schreibt sehr mäandernd und mit vielen Nebenhandlungen, die alle irgendwann zusammenfinden.

Wer sind hier die Guten: Eine von Rags Morales gezeichnete Szene aus "Action Comics".
Wer sind hier die Guten: Eine von Rags Morales gezeichnete Szene aus "Action Comics".

© Promo

Vor Ihrer Arbeit an „Action Comics“ sagten Sie mal, Superman sei „zum Kotzen“ – wie meinten Sie das?
Das bezog sich darauf, dass die Figur am Anfang weniger allmächtig und daher interessanter war. Aber im Laufe der Jahre wurde sie immer omnipotenter. Als dann Lex Luthor ein holographischer Gott werden musste, um Superman noch herausfordern zu können, da war der Zenit für mich überschritten. Oder auch jene Szene, in der Superman im Film die Erde rückwärts rotieren lässt, um die Zeit zurückzudrehen und Lois Lane zu retten… Das ist doch absurd! Irgendwann hatte die Figur den Punkt erreicht, wo nichts mehr unmöglich schein. Und man sehnte sich zurück nach jenen Anfangsjahren, als er nicht mal fliegen konnte, sondern nur von einem Platz zum nächsten sprang. Ich hasste es, wie die Figur in einer Ecke angekommen war, aus der sie nicht mehr herauskam.

In „Action Comics“ gibt es einen abrupten Wechsel, an dem Ihre Zeichnungen enden und die Geschichte von anderen Künstlern weitergezeichnet wird. Wie kam es dazu?
Das liegt an der Zeitplanung und an persönlichen Konflikten der Beteiligten. Ich weiß, dass viele Fans sich wünschen würden, dass wir ständig und wie am Fließband Comic produzieren. Aber das ist nicht realistisch. Als ich diesen Auftrag akzeptierte, hatte ich eine bestimmte Zeit dafür vorgesehen. Aber wegen einiger Verschiebungen wurde die Zeit für dieses Projekt knapper als geplant, außerdem schrieb Grant ein Skript mit 29 Seiten statt mit 20, wie vereinbart - das bedeutete zwei Wochen mehr Arbeit für mich. Und es war ja die erste Ausgabe eines großen Ereignisses, an dem viele Menschen beteiligt waren, die viel miteinander kommunizieren mussten… So lag ich sehr schnell hinter dem Zeitplan und andere Zeichner mussten aushelfen, um die Deadlines einzuhalten. So wurden gegen Ende hin mehrere Kapitel parallel von verschiedenen Zeichnern erarbeitet. Und gerade Zeichner wie Gene Ha haben Wunderbares geleistet. Dennoch tut es mir leid und ich bereue, nicht mehr Zeit für dieses Projekt gehabt zu haben.

Superman ist ein Einwanderer. Was ist sein Rat für die aktuellen Herausforderungen, die wie in Sachen Einwanderung erleben?
Wenn Du in Rom bist, mach’s wie die Römer. Das hat als Maxime für mich immer funktioniert.

Lesen Sie viele Comics in Ihrer Freizeit?
Nein. Wenn man den ganzen Tag mit etwas verbringt, will man das nicht auch noch in seiner Freizeit tun. Ich schaue gelegentlich in die Comics rein, die der DC-Verlag mir immer schickt. Und da sind einige bei, die mir gefallen. Aber persönlich finde ich Sachbücher viel interessanter, ich lese vor allem Autobiografien gerne. Und ich glaube, als Künstler ist es auch besser, sich nicht nur von seinem eigenen Feld inspirieren zu lassen, sondern vor allem aus anderen Bereichen. Autoren wie Brad Meltzer oder Grant Morrison sind in der Hinsicht für mich Vorbilder, weil sie ihre Anregungen aus den unterschiedlichsten Welten beziehen.

(Aufgezeichnet von Lars von Törne)

Hinweis: Die Verlosung des signierten „Action Comics“-Buches ist beendet, die Gewinnerin wird per Post benachrichtigt.

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