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© Kibitz

Kindercomic „Boris, Babette und lauter Skelette“: Ein Haustier auf der Suche nach der eigenen Identität

Tanja Eschs Kindercomic „Boris, Babette und lauter Skelette“ behandelt spielerisch aktuelle Themen. Jetzt wurde er mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis als bestes Kinderbuch ausgezeichnet.

Von Sabine Scholz

| Update:

Der Kindercomic „Boris, Babette und lauter Skelette“ ist auf der an diesem Sonntag endenden Frankfurter Buchmesse mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis als bestes Kinderbuch des Jahres ausgezeichnet worden. Aus diesem Anlass veröffentlichen wir eine Rezension des Titels erneut, die erstmal im Februar 2023 auf den Tagesspiegel-Seiten erschienen ist. 

Als die 16-jährige Lynette, die für ein Jahr nach England gehen will, ihren Nachbarn Boris in ihr düsteres Zimmer einlädt, um ihm etwas zu geben, ahnt dieser noch nicht, dass es sich nicht um ein normales Abschiedsgeschenk handelt. Das gelbe, auf zwei Beinen laufende Haustier Babette, das er übernehmen soll, hat einige seltsame Verhaltensweisen. Es sieht gern fern, spricht (mit Sprachfehler) und verlangt nach einem angemessen gruseligen Lebensraum im Stil von Lynettes Teenager-Gruft. Boris‘ Eltern sind allerdings keine Fans von Vierbeinern, schon gar nicht in der familieneigenen Wohnung. Also muss Babette heimlich einziehen …

Mit nonchalantem Witz schickt die Hamburger Zeichnerin Tanja Esch das kleine gelbe Wesen in ihrem neuen Buch „Boris, Babette und lauter Skelette“ (Kibitz Verlag, 160 S., 20 €) auf eine Suche nach sich selbst. Schräg und unaufgeregt erzählt die Autorin des Detektiv-Kindercomics „Ulf und das Rätsel um die Neue“ in ihrem unverwechselbaren bunten Cartoonstil von Babette, die ihr Zuhause verliert und sich nun in neuer Umgebung mit ihren skurrilen Eigenheiten deplatziert fühlt.

Eine Seite aus „Boris, Babette und lauter Skelette“.

© „Boris, Babette und lauter Skelette“/Kibitz

Die charmante Suche des absonderlichen Haustiers nach der eigenen Identität ist mit klarem, kräftigem Strich gezeichnet und für Kinder verständlich aufbereitet. Sie wird später im Band noch in einen realen Bezug zum Thema Migration gesetzt. Das entkräftet die zuvor etablierte beschwingte Unverkrampftheit und natürliche Charakterdiversität ein wenig. In seiner klaren, ungekünstelten Plakativität nimmt es aber vor allem das junge Zielpublikum mit.

Eine weitere Seite aus „Boris, Babette und lauter Skelette“.

© Kibitz

Ganz selbstverständlich wird ebendieses Publikum nebenbei in seiner Lebensrealität abgeholt. In Eschs Geschichte findet sich die vielbeschäftigte Mutter, die im Homeoffice nebenbei zerstreut und trotzdem zugewandt mit ihrem Sohn interagiert, ihn oftmals auf später vertröstet und quasi geistig dauerhaft auf Arbeit ist. Indes schmeißt Boris‘ peinlich reinlicher Papa geschickt den Haushalt und kümmert sich außerdem noch um seinen verwitweten Vater, der für Boris eine wichtige Bezugsperson darstellt.

Während Tanja Esch die Beziehungen innerhalb von Boris‘  Familie so stetig weiter auslotet, bleibt das Verhältnis des Jungen zu Babette zunächst seltsam abstrakt – auch aufgrund von Babettes Kummer und Verlorenheit. Im späteren Verlauf wird die Beziehung enger, aber nicht unbedingt herzlich. Wahrscheinlich kann man aber gerade aufgrund der zurückhaltenden Emotionalität der Story so gut folgen.

Meine beiden Kinder, zehn und sieben Jahre alt, ließen sich mit  „Boris, Babette und lauter Skelette“, welches Finalist des Comicbuchpreises der Berthold Leibinger Stiftung 2022 war, bestens unterhalten. Besonders Babettes abstruses Benehmen und ihr offensichtliches Nuschelproblem mit dem S-Laut, das solch herzige und vieldeutige Wortschöpfungen wie „gruschelig“ nach sich zieht, erheiterte sie.

Das Titelbild des besprochenen Bandes.

© Kibitz

Viel mehr als das Migrationsthema spielte für sie Babettes Sinn für Gerechtigkeit und Tatkraft eine Rolle. Sie ist eine Freundin, die sich wohl fast jedes Kind nach der Lektüre wünscht. Und das obwohl sie nicht der kuschelige Tröster ist, den sich viele unter einem Haustier vorstellen. Babette ist eben anders, und das macht überhaupt nichts.

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