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Von der eigenen Familie inspiriert: Eine Seite aus „Takio“.

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Kindercomics: Superhelden für die nächste Generation

Seit langem suchen die Verlage nach Möglichkeiten, wieder mehr junge Leser für Comics zu gewinnen. Die US-Serie Serie „Takio“ bietet einen gelungenen Einstiegspunkt für den Nachwuchs.

Veranstaltungen wie der Free Comic Book Day in den USA und der Gratis-Comic-Tag - der am 14. Mai zum zweiten Mal in Deutschland stattfindet - zeigen, wie sehr Comic-Verlage dies- wie jenseits des großen Teichs auf der Suche nach Nachwuchslesern sind und dass sie potenzielle neue Kunden nicht mehr kampflos an die überdies auch noch schwächelnden Mangas verlieren wollen.

Dennoch wird etwa der Einstieg in Superheldencomics nicht gerade leichter, wenn Autoren wie Grant Morrison, Geoff Johns oder Brian Michael Bendis zwar hervorragende Geschichten mit den ikonischen Helden der Verlage DC und Marvel schreiben, dabei aber regelmäßig Hommagen an die Siebziger und Achtziger abfeiern und Events und Kontinuität das Geschehen diktieren. Selbst einstmals bewusst auf Einsteigerfreundlichkeit ausgelegte junge Helden-Serien wie Robert Kirkmans bärenstarkes „Invincible“ oder Bendis’ Seifenoper-Neuinterpretation „Ultimate Spider-Man“ schleppen inzwischen fast schon wieder zu viele US-Hefte an Ballast mit sich herum und funktionieren mittlerweile ebenfalls nur noch bedingt, wenn man wirklich als unerfahrener Quereinsteiger dazustößt.

Mit den Superkräften kommen die Probleme

Vielschreiber Bendis muss zu einem ähnlichen Schluss gekommen sein – vermutlich, weil seine Tochter nun im passenden Alter ist, um selbst die weite Welt der Comics zu entdecken. Und Daddys Comics sind zwar oftmals durchaus großartig, aber für junge Leser eben doch nicht das Wahre.

Das soll sich mit „Takio“ nun ändern, für das sich der Autor aus Portland einmal mehr mit seinem Zeichner-Komplizen Michael Avon Oeming zusammengetan hat, seinem kreativen Mitstreiter an der grandiosen Cop-Superhelden-Serie „Powers“, die hierzulande leider schon wieder viel zu lange auf eine Fortführung wartet. Wie persönlich das Anliegen von Bendis und Oeming mit ihrer neuen Reihe ist, wird deutlich, wenn man Umfeld und Protagonisten von „Takio“ beleuchtet: Olivia, Bendis’ Tochter, lieferte nicht nur die Inspiration zum Titel und ist deshalb als Co-Autorin vorne im Band gelistet. Sie stand außerdem Pate für den Namen der jüngeren der beiden Schwestern und angehenden Heldinnen. Name und Aussehen der älteren Schwester gehen hingegen auf Oemings Ehefrau Taki Soma zurück.

Kung Fu Telekinese: Eine Seite aus „Takio“.
Kung Fu Telekinese: Eine Seite aus „Takio“.

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„Takio“ erzählt - bislang nur auf Englisch - die Geschichte der beiden Adoptivschwestern Olivia und Taki, die unversehens Superkräfte bekommen. Dafür müssen sie und ihre Schöpfer die bewährten Pfade allerdings gar nicht so weit hinter sich lassen: Die beiden Mädchen gehen auf die Highschool, zanken sich ständig wegen ihres Altersunterschieds und versuchen, ihre Mutter nach dem Tod ihres Vaters nicht zu sehr zu belasten. Ein Unfall gibt den beiden plötzlich die Kraft der Kung Fu Telekinese – und schon fangen die Möglichkeiten, aber auch die Probleme an. Denn auch Takis ehemals beste Freundin Kelly hat die außergewöhnlichen Kräfte bekommen, deren Ursprungsquelle wiederum ein Experiment von Kellys abgebranntem Vaters ist, der als Wissenschaftler für mächtige Kreise arbeitet, deren Schergen Taki und Olivia fortan nachstellen, während sie Kelly schon auf ihrer Seite haben. Beim ersten Konflikt auf dem Schulparkplatz fliegen ordentlich die Fetzen, und die Rollen von Gut und Böse scheinen für die erste Runde vergeben ...

Ein kurzweiliger Hochgeschwindigkeitsspaß

Es stecken also schon einige bewährte Elemente in „Takio“. Nicht nur, dass die Schwestern erst zum Schluss des ersten handlichen, schutzumschlaglosen und daher buchhandlungsfreundlichen Hardcover-Bandes bereit sind, als kostümiertes Helden-Duo Takio in Portland auf Patrouille zu gehen – auch wenn sie um sechs Zuhause sein müssen, wenn sie keinen Ärger mit ihrer Mom kriegen wollen. Womit dann plötzlich auch Mark Millars gefeiertes Real-Life-Heldentum aus „Kick-Ass“ ins Spiel kommt. Am Ende ergeben diese beiden Strömungen vermutlich genau die richtige Mischung aus bewährter Superhelden-Fiktion und origineller Realitätsnutzung, um junge Leser auf „Takio“ anspringen zu lassen.

Mit dem ersten Band der Reihe, die wie „Powers“ als creator owned project beim Marvel-Imprint Icon erscheint und den Künstlern somit die vollständige Kontrolle über das Produkt überlässt, liefern Bendis und Oeming einen frischen Superheldentitel für Leser jeden Alters, speziell jedoch für junge Comic-Anfänger, die den idealen Einstiegspunkt für eine Leidenschaft suchen, deren Macher ihrerseits seit Jahren nach einer Möglichkeit fahnden, neue Leser zu werben und langfristig zu binden.

Dynamisch: Das Cover des ersten Sammelbandes.
Dynamisch: Das Cover des ersten Sammelbandes.

© Marvel

Bendis’ Fähigkeit, eine Story allein durch authentisches Dialog-Sperrfeuer voranzupeitschen, kommt auch in „Takio“ voll zum Tragen – die Story hat ordentlich Tempo und ist ein kurzweiliger Hochgeschwindigkeitsspaß. Und Oemings dynamischer Stil könnte auch zu einer zeitgenössischen Trickserie passen und dürfte jungen Lesern gut gefallen.

Dass es energiegeladen und spaßig weitergeht, steht also fast schon außer Frage. Hoffentlich nur nicht zu spät. Denn auch wenn Form, Inhalt, Tempo und Artwork genau richtig für die anvisierte Zielgruppe sind - allzu geduldig sind die Nachwuchsleser am Anfang ihrer Comicleser-Karriere wahrscheinlich nicht.

Brian M. Bendis und Michael Avon Oeming: Takio Bd. 1, Hardcover, 96 Seiten, rund 7 Euro, Icon/Marvel, zur Verlags-Website geht es hier.

Mehr von unserem Autor Christian Endres findet sich auf seinem Blog: www.christianendres.de. 

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