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Die Kinder vom Schlammwal: Eine Seite aus „Die Walkinder“.

© (c) ABI UMEDA 2013 Originally published in Japan in 2013 by Akita Publishing Co.,Ltd.

Manga „Die Walkinder“: Die Zerstörung der Idylle

In der Manga-Reihe „Die Walkinder“ werden große Fragen vor einer dystopischen Wüstenkulisse behandelt, die an klassische Ghibli-Szenarien erinnert.

Von der Utopie zur Dystopie in nur einem Band: Manga-ka Abi Umeda zertrümmert gleich im ersten Teil ihrer Utopie „Die Walkinder“ die karge aber idyllische Lebensweise einer kleinen abgeschotteten Gesellschaft, die auf einer Schiffinsel, dem „Schlammwal“, über ein endlos scheinendes Sandmeer treibt.

Die Geschichte, die in Japan bislang 13 Bände umfasst und noch nicht abgeschlossen ist, spricht damit nicht nur Fans von Abenteuertiteln wie „Lindbergh“ und „Sky World Adventures“ an, sondern auch Leser von „The Promised Neverland“. Hierzulande erscheint die Serie bei Carlsen Manga, bislang liegen vier Bände auf Deutsch vor.

Große Macht dank magischer Kräfte - und ein baldiger Tod

Der überwiegende Teil der Einwohner des fast termitenhügelähnlichen Eilands besitzt magisch anmutende Kräfte namens Saimia, die große Macht verleihen aber auch den baldigen Tod bedeuten. Nur diejenigen ohne dieses Talent erreichen ein hohes Alter und führen später das auf engstem Raum zusammenlebende Inselvolk an.

Dieser Ältestenrat bewahrt die Erinnerungen und Geheimnisse, doch es gibt auch Chronisten wie den schreibwütigen Jungen Chakuro, der sein Saimia nur rudimentär beherrscht und darum die wenig geachtete Aufzeichnung der Geschichte des Wals übernommen hat. Die aufgrund der Saimia-Problematik überwiegend jungen und stetig mit dem Tod konfrontierten Schlammwalbewohner leben von und mit dem Sandmeer, sie jagen, fischen nach Waren und erkunden Inseln, die vorbeitreiben.

Ein Meer der Gefühle: Eine Seite aus „Die Walkinder“.
Ein Meer der Gefühle: Eine Seite aus „Die Walkinder“.

© (c) ABI UMEDA 2013 Originally published in Japan in 2013 by Akita Publishing Co.,Ltd.

Noch nie ist ihnen dabei eine andere Zivilisation begegnet, bis eines Tages ein dem Schlammwal sehr ähnliches Gebilde angetrieben wird. Chakuro darf der Erkundungsmission beiwohnen und begegnet dort einem seltsamen Mädchen. Er weiß noch nicht, dass diese Begebenheit Tod und Vernichtung über seine Heimat, aber auch die in den Tiefen des Schlammwal begrabene Wahrheit ans Licht bringen wird.

Seltsame Wesen reißen die Gefühle der Menschen an sich

Das Lügengebilde, auf dass die Schlammwalgesellschaft fußt, wird fast ebenso dramatisch und brutal zertrümmert wie in „The Promised Neverland“. Allerdings ist Abi Umedas Ansatz ein gänzlich anderer, denn in „Die Walkinder“ sind die Gefühle der Menschen die treibende Kraft der Story: Die magisch anmutenden, Psychokinese-ähnlichen Kräfte nähren sich aus den Emotionen der Schlammwalbewohner.

Die unbarmherzigen Gestalten, die später Chakuros Zuhause attackieren, sind bar jeder Empfindung und können dennoch Saimia benutzen, und seltsame Wesen reißen die Gefühle der Menschen an sich und verleiben sie sich ein.

Abi Umeda, von der hierzulande bereits „Bluish“ erschienen ist, wirft mit diesem Szenario fast schon philosophische Fragen über Sinn und Unsinn menschlicher Emotionen, kriegerischer Auseinandersetzungen und generationsübergreifender Schuld auf. Die Charaktere sind gut gezeichnet und individuell ausgearbeitet, sodass jedes Leben, dass in den erbarmungslosen Kämpfen erlischt, schmerzt.

Das Cover des dritten Bandes der Reihe.
Das Cover des dritten Bandes der Reihe.

© (c) ABI UMEDA 2013 Originally published in Japan in 2013 by Akita Publishing Co.,Ltd.

Mit akribischer Detailliertheit entführen Abi Umedas fantasiereiche Schwarz-Weiß-Zeichnungen und transzendent-grelle Aquarellfarbillustrationen in eine dystopische Wüstenkulisse, die an klassische Ghibli-Szenarien erinnert. Ebenso rufen die vielfältigen Schraffuren, die stimmige Tier- und Pflanzenwelt sowie die magischen Zeichen, welche in der Luft schweben, wenn Saimia angewandt wird, und der gefühlvolle Strich das Traditionsstudio ins Gedächtnis.

Die malerische Optik wurde auch in der Anime-Adaption von J.C.Staff zitiert, die seit März hierzulande via Netflix in deutscher Sprache zu sehen ist. Das Jin Roh-Studio engagierte Hiroaki Tsutsumi als Komponisten, der die Bilder mit einem ergreifenden Soundtrack versah.

Abi Umeda: Die Walkinder, Carlsen Manga, bislang 4 Bände, je 192 S., 7 €

Sabine Scholz

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