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Trips und Alpträume. Eine Seite aus dem besprochenen Buch.

© Verbrecher Verlag

Dietmar Dath: Wer Gras sät

Mit „Mensch wie Gras wie“ wagt sich der Schriftsteller Dietmar Dath an den Comic. Dass das  nicht scheitert, hat er dem Zeichner Oliver Scheibler zu verdanken.

Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis Dietmar Dath seine erste Graphic Novel veröffentlichen würde. Als einer der produktivsten deutschen Schriftsteller hat er in den vergangenen 20 Jahren nicht nur zahlreiche Romane, Sachbücher und Theaterstücke geschrieben, sondern auch Hörspiele, Gedichte, unzählige Essays und Kritiken. Dath veröffentlicht nicht nur in zuverlässiger Regelmäßigkeit, er wechselt  auch ständig die Formen, probiert neue Dinge aus, bleibt beweglich. Kontinuität gibt es hingegen im Themenspektrum des  gebürtigen Badeners. Gemeinsam mit dem Zeichner Oliver Scheibler hat er nun mit „Mensch wie Gras wie“ einen Comic über Gentechnik, Macht und Liebe geschaffen.

Mittelmäßige Story, kraftvolle Bilder

Die Protagonistin Elin Elwert ist eine junge und vor allem erfolgreiche Biologin. Sie lebt mit ihrem Freund, dem Bioinformatiker Thomas, zusammen. Die beiden lernten sich in Japan kennen, wo Elin drei Jahre lang mit Mäusen experimentierte. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland arbeitet sie an einem Projekt mit genetisch veränderten Gräsern. Und sie trifft ihren schwulen Freund Martin/Martina wieder, mit dem sie eine komplizierte Beziehung führte, die früher oder später scheitern musste. Elin versucht die Distanz zu Martin/Martina zu wahren, doch er weiß etwas, dass sie unbedingt erfahren sollte. Fraczády, der Investor des Gräser-Projektes, ist mehr als nur ein sprichwörtlicher Wolf im Schafspelz. Als Elin sich die Warnung endlich anhört, scheint es fast schon zu spät zu sein.

Eine Story, die leider von Beginn an etwas abgegriffen daherkommt, weil sie sich Erzählsituationen bedient, wie sich klassischer nicht sein könnte. Das Mädchen durfte nie Fußball bei den Jungs mitspielen, der Neue lernt durch einen peinlichen Zufall den Ex kennen und der Chef gibt sich brav, ist in Wirklichkeit aber ein mehr als zwielichtiger Typ. Die große Erzählkunst präsentiert Dath hier sicher nicht. Trotz dieser erkennbaren Schwäche ist „Mensch wie Gras wie“ nicht gescheitert. Und das hat Dath seinem Zeichner Oliver Scheibler zu verdanken, der es schafft, eine mittelmäßige Story durch kraftvolle Bilder enorm aufzuwerten. Der stark konturierte Stil scheint in kleinen Panels nicht gut aufgehoben zu, darum werden sie kurzerhand vergrößert, nehmen die halbe Seite ein oder werden gleich ganz aufgelöst. So entsteht schon auf den ersten Seiten eine grafische Sogwirkung, der man sich nur schwer entziehen kann.

Am Abgrund der Existenz: Ein ganzseitiges Panel aus dem besprochenen Buch.

© Verbrecher Verlag

Das in der Story angelegte Moment des unsicheren Taktierens zwischen den Figurenbeziehungen schlägt sich in Scheiblers Bildern eindrucksvoll nieder. Je nach Situation verändert er das Aussehen der Figuren mal mehr und mal weniger stark, sodass sich die Unsicherheit der Protagonisten auf den Leser überträgt. So rücken Fragen in den Mittelpunkt wie: Wer spricht mit wem und wie wird gesprochen?

„Zwei Jahre Berlin… psychotischer Zusammenbruch“

Doch nicht nur auf der Ebene der Kommunikation zieht Scheibler die zeichnerischen Register. Durch Zeitsprünge, Schnitte, Überblendungen, Trips und Träume verhilft er der Story zu einer Dynamik, die sie in reiner Textform wohl nur schwer entfaltet hätte. Erst in den hedonistischen Wimmelbildern Scheiblers wird klar wie oft sich Daths Figuren am Abgrund ihrer Existenz bewegen. „Zwei Jahre Berlin… psychotischer Zusammenbruch“, fasst Martin/Martina es einmal zusammen. Auch der Anfangsverdacht gegen Farczády wird schnell bestätigt, was weniger überrascht als die Tatsache, dass in „Mensch wie Gras wie“ das alte Motiv von Geheimbünden und Verschwörungen wiederaufgelegt wird, ohne an Dan Brown oder dergleichen zu erinnern.

Wimmelbild: Das Buchcover.

© Verbrecher Verlag

Irritierend sind hingegen Daths „Liner Notes“, die in Form eines Nachwortes den Band beschließen. Darin preist er zwar die kreative Zusammenarbeit mit anderen Künstlern, lässt jedoch kaum einen Zweifel daran, dass die Deutungshoheit über den Text bei ihm verbleibt. So liefert er folgerichtig eine Kurzinterpretation der Graphic Novel, die mit dem zuvor erfahrenen Leseeindruck nicht zwingend übereinstimmen muss.

Dietmar Dath/Oliver Scheibler: Mensch wie Gras wie. Verbrecher Verlag, 208 Seiten, 24,-€.

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