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Der ehemalige philharmonische Cellist Götz Teutsch, Kurator der Konzertreihe "Der Philharmonische Salon".

© Monika Rittershaus

Philharmonischer Salon: Czernowitz ist eine Welt

Traditionell und improvisiert: Der Philharmonische Salon im Kammermusiksaal widmet sich der einstigen jüdischen Kulturmetropole Czernowitz.

Mit Glück einen der letzten Plätze im „Block Stuhlreihe“ erwischt zu haben, bedeutet, dass der Kammermusiksaal an die Grenzen seines Fassungsvermögens gestoßen ist. So rappelvoll erlebt man ihn selten wie bei diesem Philharmonischen Salon, welcher Czernowitz, die untergegangene Kulturmetropole in der Bukowina (heute Ukraine), zum Thema hat. Leider nur sperrt sich die Saalakustik an diesem Tag partiell. Götz Teutsch, Programmgestalter der Reihe, holt Versunkenes in die Gegenwart. Und er betont in seiner Einführung, wie die unterschiedlichsten Völker, die dort wohnten, einander bereichert haben. Das waren vor dem Zweiten Weltkrieg neben Rumänen, Deutschen, Ukrainern und Polen etwa 30 Prozent Juden. „Wie man zusammenleben kann“, sagt Teutsch fast beschwörend. Als ob es übertragbar wäre.

„Czernowitz is gewen an alte jidische Schtot“: Dem Motto widerspricht Udo Samel, zu wiederholtem Mal als Diener des literarischen Wortes dabei: „Czernowitz ist eine Welt!“ Und er rezitiert, was sie geschrieben haben: Der Schriftsteller Karl Emil Franzos, erfüllt vom Ideal deutscher Bildung durch das Staatsgymnasium in Czernowitz, dort geboren der Althistoriker Zvi Yavetz wie die Lyrikerin Rose Ausländer und der Dichter Paul Celan. Der Verlauf der Geschichte bedingt, dass die Vortragsfolge vom Czernowitzer Humor mit dem verschlungensten jüdischen Witz bis in die „Todesfuge“ führt.

Höhepunkte sind die Klezmer-Beiträge

Perlen instrumentaler Kunst erklingen von Philharmoniker-Solisten, von der Solocellistin Sennu Laine aus der Staatskapelle und der Pianistin Cordelia Höfer. Führend beschleunigt die Klarinette von Wenzel Fuchs Prokofjews Ouvertüre über jüdische Themen. Eine „Hebräische Melodie“ von Joseph Joachim spielt sensibel Naoko Shimizu. Den Chopin-Schüler Karol Mikuli aus Czernowitz vertritt Höfer mit einer schwungvollen Mazurka. Im Allegretto des Klaviertrios Nr. 2 (1944) von Schostakowitsch erreichen die Spieler partiturgemäße Raserei.

Interpretatorische Höhepunkte sind Klezmer-Beiträge, traditionell und improvisiert, typisch für das Leben in Czernowitz „bis Bomben fielen“. Konzertmeister Noah Bendix-Balgley trifft zusammen mit dem Akkordeonisten Alan Bern, Gründer des Yiddish Summer Weimar, hinter dem ein Philosoph, Komponist und Forscher steckt. Wie die beiden Musiker traditionell Volkstümliches auf die Spitze der Virtuosität treiben, musikalische Fülle und Leidenschaft mit Diskretion verbinden, das kann kein Publikum verfehlen. Eine aufregende Premiere im Salon.

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