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Kultur: Dämmerung der Ironie

Manche werden sich beim Lesen dieses Textes erinnern müssen, daß ich im Verlauf des letzten Jahres mehrmals versucht habe, etwas über den Krieg im Kosovo zu sagen.Bevor dieser Krieg überhaupt begonnen hatte.

Manche werden sich beim Lesen dieses Textes erinnern müssen, daß ich im Verlauf des letzten Jahres mehrmals versucht habe, etwas über den Krieg im Kosovo zu sagen.Bevor dieser Krieg überhaupt begonnen hatte.Die Texte waren wohl zu ironisch, obwohl ein weises Auge bemerken konnte, daß am Grund des spöttischen Tons meine Besorgnis lag.Jetzt fallen Bomben auf mein einstiges Land, und jetzt hat die Ironie dort nichts mehr zu tun.Es bleibt der nackte Pragmatismus der Militärexperten und der Chor des politischen Opportunismus, der diese Bomben begleitet.Denn es ist gar nicht populär, längs und quer auf ein Land einzuschlagen, sogar wenn die Absicht dahintersteckt, einen Diktator zu vernichten.Aber unsere schöne neue Welt hier im Westen hat in Gesprächen mit diesem Herrn gewaltig viel Zeit verbracht, während ich mit diesem Subjekt nicht einmal in derselben Straßenbahn fahren würde.Doch diese unglücklich naiven Herren fuhren all diese langen Jahre mit ihm - es war eine tollkühne Karussell-Fahrt, von welcher der ganzen Welt schauderte.Nur daß die Unterhändler immer sehr fröhlich aus diesem Karussell stiegen, als hätten sie sich dort mit einem Schulkameraden vergnügt.Einer, der vielleicht ein bißchen böswillig, aber doch ein Kamerad aus derselben Klasse einer gemeinsamen Geschichte ist.Ich wollte in diese Klasse nicht eintreten und wurde vielleicht deshalb aus dem Gymnasium der Geschichte ausgeschlossen.All das wandelt sich jetzt wieder zu einem essayistischen Bild, als läsen wir einen Text aus Walter Benjamins Kindheit.

Und doch geht es um die blutige Realität eines Krieges, den ich seit Jahrzehnten den Dreißigjährigen nenne.Denn wir müssen uns klar sein, daß der Krieg andauern wird, vielleicht so lange wie bei Grimmelshausen.Ich bin in dieses Land gekommen, um das Ironie-Banner des Simplicissimus-Autors zu ergreifen.Um zusammen mit seiner schon ganz zerfetzten Fahne gegen den Krieg und das Unrecht zu kämpfen, das jede bewaffnete Auseinandersetzung mit sich bringt.Jetzt sehe ich, daß mein Krieg fast völlig verloren ist, denn meine Ironie ist nichts mehr nütze.Jetzt haben Sie es mit einem Autor zu tun, der seine Ironie demobilisiert hat, und was danach bleibt, ist nur dumpfe Resignation.Denn auch so klugen Leuten wie den Deutschen fällt es manchmal schwer zu erkennen, was was ist.Auch, daß dieser Krieg im Kosovo nicht erst seit gestern existiert.Die Armee, die von der geballten Kraft internationaler Truppen angegriffen wird, ist kein Engelsheer, das für sein Volk gegen das unchristliche Volk des Kosovo kämpft.Sondern dieselbe Soldateska, die kroatische Dörfer überrannte, Kinder in den Straßen Sarajevos tötete und die alte Festung Dubrovniks beschoß.Denn wäre das klar gewesen, hätte man nicht in der Zwischenzeit mit dem Herrn dieses Krieges Sekt getrunken, sondern ihn gleich zu Beginn vor das Haager Tribunal gebracht.Diese meinen heute, dieser Angriff betreffe das Verhältnis zur albanischen Bevölkerung im Süden, während es für mich eine Abrechnung mit denjenigen ist, die seelenruhig auf die Menschen in Srebrenica und Vukovar geschossen haben.Nur ist es heute für diese Abrechnung zu spät.

Der Anführer dieser ganzen blutigen Kavalkade reitet durch Wüste und Tod, immer sicherer in seinem Sattel.An dieser nach wie vor gefestigten Position sind auch seine Verhandlungspartner mitschuldig, weil sie sich überhaupt auf Gespräche mit dem Henker eingelassen haben.Heute verstehe ich den deutschen Schriftsteller, der während der Hitlerdiktatur im Untergrund seiner Emigration viel Geduld haben mußte.Denn er sah, wie die Städte seines Lebens brannten, obwohl auf diesen Städten ein Teil der Verantwortung für die Existenz jenes Regimes lag.Das nur durch Bomben beseitigt werden konnte.Aber in Dresden und Bremen kamen außer Soldaten die Kinder Deutschlands ums Leben.Darum erwarten Sie nicht, daß ich dieser Aktion applaudiere.Obwohl ich von Herzen wünsche, daß das Regime im Süden unseres Kontinents bald sein Ende findet.Ich wünsche auch meinem Volk, daß es dieses Ende aufrichtig herbeisehnt.

Bora Cosic - 1932 in Zagreb geboren und in Belgrad aufgewachsen - zählt zu den wichtigsten zeitgenössischen Autoren Serbiens.Seit einigen Jahren lebt er in Berlin und Istrien.Er hat über vierzig Bücher veröffentlicht, darunter den Essayband "Das barocke Auge" (Babel Verlag).Aus dem Serbischen von Barbara Antkowiak.

BORA COSIC

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