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„The Visitors“, Choreografie & Regie: Constanza Macras.

© Manuel Osterholt

Dämonen wegtanzen!: Constanza Macras zeigt „The Visitors“ als Gastspiel in der Volksbühne

Maskierte Monster machen Jagd auf Teenager, doch die wissen sich zu wehren. Für ihr neues Stück hat sich die Berliner Choreografin von Slasher-Filmen inspirieren lassen.

Von Sandra Luzina

Die Tanzstücke von Constanza Macras sind oft zum Schreien komisch. Bei dem neuen, von Slasher-Filmen inspirierten Stück „The Visitors“ ist dem Publikum in der Volksbühne nur selten nach Kreischen zumute. Am Ende aber bricht ein stürmischer Jubel aus. Macras setzt mit „The Visitors“ die Zusammenarbeit mit vielen der südafrikanischen Kinder und Jugendlichen fort, mit denen sie schon 2018 das Stück „Hillbrowfication“ erarbeitet hat.

In Hillbrow, einem Stadtteil von Johannesburg, lebten während der Apartheid nur Weiße. Als Nelson Mandela 1994 zum Präsidenten gewählt wurde, zogen die Weißen weg und Hillbrow verkam zum Schwarzen-Ghetto. In „Hillbrowfication“ erzählten die Heranwachsenden von ihren Utopien und Träumen und begeisterten zudem mit hochenergetischen Tanznummern. Was als Empowerment-Projekt begann, wurde ein großer Erfolg mit Aufführungen auf der ganzen Welt.

Die personifizierte Bürokratie singt ein Adele-Cover

„The Visitors“ wurde im August in Johannesburg uraufgeführt und ist nun als dreitägiges Gastspiel in der Volksbühne zu sehen. Vier Tänzer:innen aus Macras’ Ensemble DorkyPark ziehen gemeinsam mit 16 jungen Talenten aus Südafrika alle Horror-Register – vom subtilen Schrecken, wenn aus Julio Cortázars Kurzgeschichte „Das besetzte Haus“ zitiert wird, bis zur trashigen Splatter-Show.

Slasher-Filme erfreuen sich in Südafrika großer Beliebtheit. Bei diesem Horror-Subgenre werden Teenager von einem mysteriösen Killer angegriffen. Dass es Parallelen gibt zwischen dem Slasher-Filmgenre und der heutigen Gesellschaft Südafrikas – so die Hypothese von Macras –, vermittelt sich in dem Stück aber nicht. Da sieht man, wie in einem Spiegelkabinett maskierte Monster die Teenager verfolgen und niedermetzeln. Die Opfer tragen alle Blondhaarperücken. Einem der Blondies gelingt es dann, die Killer niederzuringen – eine sehr lustige Szene, da die Darstellerin im pinkfarbenen Kleid vollen Körpereinsatz zeigt.

Constanza Macras hat für „The Visitors“ erneut mit Kindern und Jugendlichen aus Südafrika gearbeitet. 
Constanza Macras hat für „The Visitors“ erneut mit Kindern und Jugendlichen aus Südafrika gearbeitet. 

© Manuel Osterholt

Manche Szenen dieser Horror-Klamotte wirken aber recht blutleer. Eigentlich sind es auch andere Themen, die Macras unter den Nägeln brennen: Der Schrecken und die Gewalt, die die marginalisierten schwarzen Jugendlichen erfahren, resultiert aus der Kontinuität von kolonialen Strukturen. In kurzen Spiel- und Musicalszenen werden Korruption, Bürokratrie-Irrsinn und Gentrifizierung auf humvorvoll-ironische Weise thematisiert. Neben diversen Filmzitaten gibt es, wie immer bei Macras, auch Anleihen bei Popsongs – die personifizierte Bürokratie stellt sich mit dem Cover eines Adele-Songs vor.

Das Stück lebt von den Jugendlichen

Wenn die Kleinen und die Großen wie Models über die Bühne defilieren, ist das keine gewöhnliche Modenschau. Shantel und Sandiso bringen mit den textilen Kreationen ihre Sorgen zum Ausdruck. Der Designer Roman Handt hat ihnen die fantasievollen Kostüme auf den Leib geschnitten. Gesellschaftsanalyse und Kapitalismuskritik hat Macras wieder in populären Formaten verpackt. Sie bedient sich auch wieder des Kunstgriffs, dass sie die Jugendlichen komplexe Texte aufsagen lässt, die sprachlich nicht unbedingt ihrem Problembewusstsein entsprechen. Doch wenn die jungen Menschen über patriarchalische Dilemmata und die problematischen Narrative von Zombie-Filmen räsonieren, erwecken sie den Eindruck, dass sie voll durchblicken.

Die Choreografie mixt unterschiedliche Einflüsse von Street- und Showdance bis zu afrikanischen Tänzen. Doch „The Visitors“ wirkt überfrachtet. Man kennt das von Constanza Macras: Sie will einfach zu viel. Das Stück lebt vor allem von der fulminanten Energie und dem Enthusiasmus der südafrikanischen Jugendlichen. Wie sie die ungebetenen Besucher, die Dämonen aus der Vergangenheit, mit Tanz und Chorgesang vertreiben, ist so lustig wie ergreifend. Wenn alle am Ende aufdrehen in einer mitreißenden Shownummer, gelingt der Befreiungsschlag.

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