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Kultur: Das Echo der Loreley

Die Loreley, bekannt als Fee und Felsen, / ist jener Fleck am Rhein, nicht weit von Bingen, / wo früher Schiffer mit verdrehten Hälsen, / von blonden Haaren schwärmend, untergingen. 125 Meter ragt sie über dem Storm empor, Deutschlands berühmteste Schieferkante, vor der ein Säuretanker kenterte, im Morgengrauen, rätselhaft.

Die Loreley, bekannt als Fee und Felsen, / ist jener Fleck am Rhein, nicht weit von Bingen, / wo früher Schiffer mit verdrehten Hälsen, / von blonden Haaren schwärmend, untergingen.

125 Meter ragt sie über dem Storm empor, Deutschlands berühmteste Schieferkante, vor der ein Säuretanker kenterte, im Morgengrauen, rätselhaft. Die Loreley ist ein erotischer Abgrund, das muss Erich Kästner spottend eingestehen. Ein sagenumwobener Ort, den das Heidentum hartneckisch verteidigt. Dabei ist die Macht von Vater Rhein nicht mehr ungebrochen, als Heinrich Heines „Lied aus uralten Zeiten“ geradezu unheimlich populär wird. Das Binger Riff, Jahrhunderte die Geißel der Schiffer, ist bezwungen – und in Mainz droht der Dom infolge des sinkenden Grundwasserpegels zu kollabieren.

Allein eine Stelle entzieht sich der risikofreien Schiffbarmachung durch Sprengungen und Grundschwellen: die Loreley. Zu verschlungen das schmale Bett, in dem der Rhein schäumend an ihr vorbeizieht, vier Millionen Liter Wasser in jeder Sekunde mit sich reißend, dem Meere zu. Tiefste und flachste Stellen des Stromes folgen unberechenbar aufeinander. Hier, an diesem kaum einzunehmenden Ort, werden Mythen eingelagert, wie Mikrofilm in Bergwerksstollen. Der „Lurenberg“ soll einst den Nibelungenschatz geborgen haben, erschaffen von Zwergen, die in seinen Grotten verborgen löteten. Und, natürlich, der blondesten Frau von allen einen Balkon geboten haben, getaucht in das Rotlicht von Sonnenuntergängen.

Ob Nixe oder Zauberin: Die Loreley ist Opfer, nicht Täterin. Eine verlassenes, getäuschtes Wesen, das nun jene Spezies aus ihrer Sicherheit reißt, die ihr trotz Schwur nicht gefolgt ist. Dabei nutzt sie vor allem das Echo ihrer Stimme, fünfzehnmal schwirrt es zwischen den Felsen hin und her. Dass die Loreley eine Stätte des schwankenden Ichs ist, hat vor Heine schon der Heilige Goar erkannt. Er ließ sich als Einsiedler am gegenüber liegenden Ufer nieder, um Schiffbrüchige zu retten und in den Hafen des Christentums zu geleiten. „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin“, dichtet Heine. Die Loreley versucht uns an etwas zu erinnern, das wir vergessen glauben. Bis es uns wieder einfällt, wird der Tanker geborgen, und wir sitzen mit Kästner auf dem Trockenen:

Wir wandeln uns. Die Schiffer inbegriffen. / Der Rhein ist reguliert und eingedämmt. / Die Zeit vergeht. Man stirbt nicht mehr beim Schiffen, / bloß weil ein blondes Weib sich dauernd kämmt.

Eine

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