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Konrad Klapheck 2013 bei seiner Retrospektive im Düsseldorfer Museum Kunstpalast.

© dpa/Horst Ossinger

Zum 80. Geburtstag von Konrad Klapheck: Das Gedächtnis der Maschinen

Bei Konrad Klapheck verschmelzen Mensch und Objekt. Der Düsseldorfer Maler feiert am 10. Februar achtzigsten Geburtstag

„Mit Hilfe meiner Maschinenbilder konnte ich ohne zu suchen die Vergangenheit wieder finden“, schreibt Konrad Klapheck über sein wichtigstes Motiv. Die Schreibmaschinen und Nähmaschinen, die Feuerlöscher und Motor­räder verbinden sich im Werk zu einer Familie mit eigenem Stammbaum. Dusche und Telefon werden mit ihren durchlöcherten Scheiben zu Verwandten, aus denen Lautsprecher und Sirenen hervorgehen. Sie alle treten als Einzelgänger auf, nur Fahrradklingeln und Schuhspanner bilden Gruppen. In diesem seltsam zeitversetzten Werk fungieren die Objekte als Medien, um die eigene Biographie zu befragen. Am 10. Februar 1935 in Düsseldorf geboren nennt Konrad Klapheck als entscheidendes Kindheitserlebnis den Tod seines Vaters.

Der Künstler zwischen allen Stühlen

Beide Eltern waren Kunsthistoriker. Seine Mutter Anna Klapheck schrieb mehrere Künstlerbiographien. Sein Vater Richard Klapheck wurde 1934 von den Nationalsozialisten als Professor an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf entlassen. Er starb, als Konrad Klapheck vier Jahre alt war. Auf der Suche nach Mitteilungen des toten Vaters habe er als Kind die Papierkörbe durchwühlt, erzählt Konrad Klapheck später. Nach dem Krieg liegt die Welt seiner Kindheit in Schutt und Asche. Mit dem Fahrrad fährt er durch die Trümmerlandschaft seines Wohnviertels, findet Trost bei den glänzenden Maschinen und Kränen am Hafen, die ihn an die Vergangenheit erinnern. Während des Kunststudiums in Düsseldorf wird das Bild von einer Continental-Schreibmaschine 1955 sein erstes wiedererkennbares Werk. Dazu ermuntert hatte ihn sein Lehrer Bruno Goller, der in seiner Malerei selbst immer wieder in die Räume seiner Kindheit zurückkehrte. Klapheck verschreibt sich der Präzision, der undurchdringlichen Oberfläche, den harten Kanten der Mechanik. Er will sich vom Informel absetzen und landet zwischen allen Stühlen. Zu spät für den Surrealismus, zu früh für den Hyperrealismus, zu skeptisch für die Pop Art, zu verschattet für den lichterfüllten Aufbruch von ZERO.

Die Nähmaschine als Symbol für das Weibliche

Aber als Einzelgänger weckt er früh die Neugier. Zunächst bei den Surrealisten. Klapheck trifft  Max Ernst, er lernt René Magritte kennen.  André Breton schreibt einen Aufsatz über seine Kunst. Schon 1966 widmet die Kestner-Gesellschaft ihm eine Retrospektive. Ab 1979 unterrichtet er an der Düsseldorfer Akademie. Am plausibelsten öffnet sich das Werk, wenn man es als Autobiographie liest. Der Künstler selbst steuert freigiebig Geschichten und Legenden dazu bei. Auf die erste Schreibmaschine im Kunststudium folgt die erste Näh­maschine, als Vertreterin der weiblichen Welt. Nach einem Streit mit seiner Freundin und späteren Ehefrau nennt er das Bild „Die gekränkte Braut.“ Sein Selbstbildnis wird eine Schreibmaschine mit athletischer Figur, überbreitem Wagen und schmaler Tastatur. Spätere Ehekrisen schlagen sich in Gestalt von Sägen nieder, mit dem Heranwachsen der Kinder tauchen Rollschuhe auf.

1987 stirbt Klaphecks Frau Lilo beim Brand des Ferienhauses in Holland. Nach dem jüdischen Begräbnis malt er eine rote Schreibmaschine mit gelben hebräischen Buchstaben und nennt sie „Schmerz“. Die Maschinen sind nicht mehr Freunde und Verwandte, sie werden zu Ungetümen. Klaphecks größtes Maschinenbild „Im Zeitalter der Gewalt“  von 1995 zeigt auf sieben Meter Breite einen Schaufelbagger, der die Erde aufwühlt. Danach verdrängt der menschliche Körper die Maschinen. Klaphecks Figuren sind oft mit den robusten Gestalten von Fernand Léger verglichen worden. Sie erinnern an eine erotische Version sozialistischer Wandbilder. Und sie wirken ebenso zeitversetzt wie das ganze Werk. Die Inspiration zu seinem ersten Gemälde mit vier nackten Frauen in einer Küche stammt von einem Foto aus der Zeit des Ersten Weltkriegs. Inzwischen feiert die Malerei von Konrad Klapheck ein Revival. Das Museum Kunstpalast Düsseldorf widmete ihm 2013 eine große Retrospektive. Aus der Sicht des digitalen Zeitalters, in dem die Geräte mit dem Körper verschmelzen, wirken Schreibmaschine und Brausekopf wie ein rares sinnliches Erlebnis. Konrad Klaphecks Werk begann als Suche eines Einzelgängers nach seiner individuellen Lebensgeschichte. Inzwischen erzählen die analogen Objekte eine kollektive Vergangenheit.

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