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Kultur: Das Gesetz der Serie

Vergangenen Sonnabend gab es in Berlin einen Umzug, bei dem zahlreiche junge Menschen durch einen Park paradiert sind. Sie haben laute, rhythmische Musik gehört und sich mit sogenannten Aufputschmitteln vergnügt.

Vergangenen Sonnabend gab es in Berlin einen Umzug, bei dem zahlreiche junge Menschen durch einen Park paradiert sind. Sie haben laute, rhythmische Musik gehört und sich mit sogenannten Aufputschmitteln vergnügt. Schon mal davon gehört? Fünf Tage später kommt ein Film in die Kinos, in dem junge Menschen, laute, rhythmische Musik und Aufputschmittel eine Rolle spielen. Das kann Zufall sein, oder auch nicht. Ist "Go" also ein Techno-Film? Bedingt.

Es ist Heiligabend. Es folgt eine unheilige Nacht. Und am nächsten Morgen sind zwei junge Frauen und einige Kerle um ein paar blaue Flecken und schlechte Erfahrungen reicher. Dazwischen liegen drei Geschichten, die mit christlicher Eintracht und Bekehrung nicht viel zu tun haben. "Go", ein Weihnachtsfilm? Nun ja.

Doug Limans Film - sein dritter nach "Kamikaze College" und "Swingers" - macht Spaß. Er ist rasant und witzig erzählt - und er ist nicht dumm. Unaufdringlich berichtet er von der Jugend, ihrer Lust, Gier und Sucht nach Spaß und den beträchtlichen Problemen, die dabei entstehen. Ein Film über die Couplandsche "Generation X"? Oder gar "die 99er", die "Der Spiegel" gerade entdeckt hat? Vielleicht.

Das Außergewöhnliche an "Go" ist seine Erzählstruktur; eine Form, wie man sie zuletzt ähnlich in "Pulp Fiction" und "Lola rennt" gesehen hat (Drehbuch: John August). Es beginnt mit der Episode um Ronna (Sarah Polley aus "Das süße Jenseits"). Sie ist 17, arbeitet als Supermarkt-Kassiererin und ist gelangweilt. Außerdem hat sie Schulden und droht aus ihrer Wohnung zu fliegen. Da kommen ihr Adam und Zack gerade recht, die eine Ration Ecstasy brauchen. Weil Ronnas dealender Kollege Simon nicht da ist, übernimmt sie die Geschäfte - und die gehen schief. Als sich der Film von ihr löst, liegt sie buchstäblich im Graben.

Und noch einmal eine Anfangsszene. Doch jetzt steht der irre Ire Simon (Desmond Askew) im Mittelpunkt, der Ronna seine Supermarkt-Schicht aufdrehen kann und dann mit Kumpels nach Las Vegas aufbricht. Als die Handlung abermals zurück geht, hat es Simon mit zwei Frauen getrieben, einen Mann angeschossen und auf der Flucht sein Gefährt zu Schrott gefahren. Recht satirisch blickt Liman auf den zur Wüstenstadt gewordenen Alptraum Las Vegas: durchfallfördernde Büfetts, absurde Hochzeitszeremonien, Alltagsrassisten. Die dritte Episode konzentriert sich auf Adam (Scott Wolf) und Zack (Jay Mohr): Die beiden TV-Serien-Darsteller haben Drogenprobleme und müssen für den Polizisten Burke (William Fichtner) als Lockvögel herhalten. Dabei treffen sie auf Ronna, und auch Simon stößt wieder dazu.

Gerade die letzte Episode ist auch ein Spiel mit ersten (Zuschauer-)Eindrücken, denn hinter der Fassade des Polizisten und seiner Frau sowie der beiden Fernsehhelden verbirgt sich Ungeahntes. Daß der Film zum Teil selbst mit Darstellern aus Serien wie "Ally McBeal", "Party of Five" und "Dawsons Creek" besetzt wurde, dürfte nicht ganz grundlos sein: Der Film freut sich bisweilen diebisch über seine Selbstreferentialität. Besonderes Lust-Prinzip: "Go" treibt seine Figuren konsequent in die Enge. Von dort aus bleibt ihnen dann nur noch eines: Raus hier und nichts wie weg, Mann!

Auf neun Berliner Leinwänden

JULIAN HANICH

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