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Kultur: Das Knuspern der Klänge

weiß die Wahrheit über Hänsel und Gretel Ob Schönbohm am Freitag auch in Rheinsberg war? Wir wissen es nicht – aber falls Brandenburgs als Opernfreund bekannter Innenminister die Premiere der letzten Saisonproduktion verpasst hat, sollte er den Besuch schleunigst nachholen.

weiß die Wahrheit über Hänsel und Gretel Ob Schönbohm am Freitag auch in Rheinsberg war? Wir wissen es nicht – aber falls Brandenburgs als Opernfreund bekannter Innenminister die Premiere der letzten Saisonproduktion verpasst hat, sollte er den Besuch schleunigst nachholen. Denn dort steht noch bis zum Samstag genau das Stück auf dem Programm, das den kulturkritischen Kommentar zu der von ihm angestoßenen Debatte liefert: In Hänsel und Gretel von Engelbert Humperdinck geht es um zwei verwahrloste Kinder, die in die Hände einer Serienmörderin geraten. Ein Blick in die Märchenbücher der Brüder Grimm reicht, um festzustellen, dass Gräueltaten wie der Neunkindermord stets Auswüchse von Armut und Unwissenheit waren.

Doch das Ur-Hexenhaus stand, wie sich in Eckhard Henscheids Roman „Die Wahrheit über Hänsel und Gretel“ nachlesen lässt, nicht in Brandenburg, sondern im Hessischen, wo übrigens heute noch Kannibalen wohnen sollen. Humperdincks wagnerisierende Partitur lässt sich als Psychogramm einer Triebtäterseele hören. Während an der Oberfläche mit Kinderliedern wie „Ein Männlein steht im Walde“ die Sehnsucht nach Unschuld und Idyll vorherrscht, steigen aus der Tiefe des herrlich brausenden Orchesterklangs immer wieder dunkle, dämonische Stimmen empor. Da kann es einen schon gruseln, und es ist kein Wunder, dass Regisseure immer wieder auf der Grausamkeit der „Hänsel“-Geschichte bestehen – zum Unwillen eines Publikums, das oft nur blanke Lebkuchenseligkeit sehen will.

Den kontinuierlichen Kulturabbau seit der Wende im Land des roten Adlers können auch Privatinitiativen wie die Brandenburgischen Sommerkonzerte nicht kompensieren. Dennoch hat die Konzertreihe in den letzten 15 Jahren eine Menge für das Land getan. Die flächendeckenden Konzerte und denkmalpflegerischen Projekte sind Signale, dass Kultur überall dort stattfinden kann, wo die Menschen es wollen. Wichtiger als die einzelnen Konzerte sind vielleicht ohnehhin die dadurch entstandenen Freundeskreise, die inzwischen teilweise selber Verstaltungen organisieren.

Dass die Künstlerliste der Brandenburgischen Sommerkonzerte in den letzten Jahren nicht mehr so glamourös ausgefallen ist wie in den Neunzigern, tut der Sache keinen Abbruch, das Niveau ist nach wie vor hoch. So bestreitet das ausgezeichnete Leipziger Ensemble amarcord , das sich der Vokalpolyphonie von der Renaissance bis hin zu Beatles-Arrangements verschrieben hat, am kommenden Samstag (13. 8., 17 Uhr) das Konzert in der Klosterkirche Heiligengrabe . Tags drauf gibt dann der Berliner Bariton Sebastian Noack , ehemals erster Preisträger des Bundeswettbewerbs Gesang, in der Dorfkirche von Burg im Spreewald einen Liederabend (14.8., 17 Uhr). Auf dem Programm stehen Beethovens „An die ferne Geliebte“, Schumanns „Dichterliebe“ sowie Werke von Hugo Wolf und Othmar Schoeck. Moderation: Tagesspiegel-Musikredakteur Frederik Hanssen (Informationen unter www.brandenburgische-sommerkonzerte.de) .

Jörg Königsdorf

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