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Kultur: Das Kreuz mit dem Haken

Eine

von Nicola Kuhn

Schlangen bilden sich zwar keine, aber ein Erfolg ist die Friedrich Christian Flick Collection im Hamburger Bahnhof allemal. 20000 Besucher wurden allein in der ersten Woche gezählt. Und alle wollten wissen, was das denn nun für eine sagenumwobene Sammlung ist – und was für ein Mensch der ins Kreuzfeuer geratene Sammler. Die auf 13000 Quadratmetern präsentierten Gemälde, Skulpturen, Videos und Installationen verraten es nicht. Dem einen erzählen sie mehr vom einstigen Playboy „Mick“ Flick, der sich am liebsten mit MachoKunst umgibt, mit Motorrädern, Cowboys, Bildern vom Sex. Der andere sieht eher Allgemeinmenschliches und vermeint die Relativierung von Schuld zu erkennen, vor allem der großväterlichen Kriegsverbrechen. Der Dritte fühlt sich von der schieren Menge überrumpelt.

So spiegelt die Kunst jene Verdachtsmomente wider, die schon vorher auf die Person Friedrich Christian Flick projiziert wurden. Der diffuse Argwohn – benutzt der Sammler die Kunst, oder wird sie umgekehrt von seinen Kritikern in Sippenhaft genommen? – macht sich zunehmend an einem Werk fest: an Martin Kippenbergers Gemälde „Ich kann beim besten Willen kein Hakenkreuz entdecken“ (1984). Das aus farbigen Balken bestehende Bild ist eine Provokation, mit der der Künstler die Verdrängung des Dritten Reiches geißeln und zugleich die eskapistischen Tendenzen der abstrakten Malerei ironisch vorführen wollte. Dieses Gemälde inmitten der Sammlung muss zwangsläufig wie ein Affront wirken, zumal Flick es erst im Vorjahr erwarb, nachdem er die heiße Debatte in der Schweiz erlebt hatte und mit Protesten auch in Berlin rechnen musste.

Wie also ist Kippenbergers Gemälde im neuen Kontext zu verstehen? Führt Flick hier exemplarisch vor, wie die Aufarbeitung seiner Familiengeschichte mittels Kunst möglich ist? In jedem Fall bleibt ein Unbehagen: Auf Kosten Kippenbergers wird ein Zusammenhang hergestellt, der statt der erhofften Öffnung der Debatte eher eine Verengung des ästhetisches Diskurses auf die Frage nach dem Flick-Erbe bewirkt. Im Interview in der Museumszeitung sagt Flick, dass „die zeitgenössische Kunst ein Kommunikationsmedium allererster Güte ist, und nicht Medium, sondern Auslöser, Erzeuger von Kommunikation“. Das Gespräch über Kunst mit den Mitteln der Kunst hat erst begonnen. Über die Person des Sammlers verrät es weitaus weniger als über eine gesellschaftliche Verfasstheit, in der die Kunst unweigerlich ins Politische verstrickt bleibt.

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