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Kultur: Das Lächeln in der Mauer

Fotografien von Heinz Hajek-Halke im Kunsthaus Lempertz

Alles vergeht, jedes Licht verlöscht. Der Künstler Heinz Hajek-Halke macht die Prozesse von Beleuchtung und Zersetzung zum Bild, ohne Kamera und Objektiv. Seine „Lichtgrafiken“ aus den fünfziger Jahren sind abstrakte und surreale Gemälde, in der Setzung der Formen den Bildern von Willi Baumeister verwandt. Nur dass Heinz Hajek-Halke nicht mit Farben auf Leinwand, sondern mit chemischem Emulsionen auf Fotopapier und Bildplatten arbeitete.

Flächen erscheinen porös und aufgeraut, zerbrochen und zerknittert, gefaltet und geriffelt: Dieser Materie haben äußere Einflüsse deutlich zugesetzt. Hitze vielleicht oder Trockenheit. Linien und Formen mit körperlichen Volumen wirken, als wären sie aus zerbrochenem Glas oder Eis gebildet und von innen leuchtend. Filigran, transparent und mit zarten Grauwerten beeindruckt eine Reihe der Lichtgrafiken auf einer Wand im Kunsthaus Lempertz. Sie verwalten den Nachlass des Fotografen, der 1983 in Berlin starb.

Die Nachkriegsjahre scheinen präsent in seiner poetisch morbiden Kunstsprache, gerade, weil sie sich so weit aus ihrer unmittelbaren Gegenwart entfernte. Heinz Hajek-Halke, 1898 geboren, gehörte zu den ältesten Künstlern der Ausstellungsreihe „subjektive fotografie“ (1951-1958) in Köln. Gemeinsam war den Fotografen nicht nur das Eintreten für die Autonomie der Kunst, die sich nicht mehr über Referenzen an die Realität rechtfertigen sollte, sondern ebenso der Zerfall aller Gewissheiten im Bild. Eine melancholische und gespenstische Stimmung verbindet sie und die Möglichkeit, in Räume des Imaginären zu wechseln.

Das Interesse an dem Surrealisten aus Berlin wächst. Zwei Publikationen sind in Vorbereitung. Im Pariser Centre Pompidou ist zurzeit eine Ausstellung. 1997 zeigte das Haus am Waldsee eine Retrospektive aus dem Nachlass, ein Jahr später erreichte einer der doppelbelichteten Akte von Hajek-Halke auf einer Auktion der Villa Grisebach mit 65 000 Mark den höchsten Preis, der in Deutschland bis dahin für ein Foto gezahlt worden war. Im Kunsthaus Lempertz bewegen sich die Preise zwischen 2 500 und 20 000 Euro für die Abzüge, großenteils Vintage-Prints.

Schon Ende der zwanziger Jahre hatte Hajek-Halke angefangen, mit Mehrfachbelichtungen zu experimentieren, teilweise in einem gemeinsamen Atelier mit der Fotografin Yva – später stritten sie sich um die Urheberschaft an veröffentlichten Bildern. Das „Eva-Chanson“ (1928-32) erinnert an die Zeit der Revuen: Ein vielgliederiges Blatt wickelt sich wie ein Spinnennetz um den Körper einer Frau, deren exaltierte Pose die Geste der Verführung fast schon karikiert. In einem Akt von 1936/38 ist der Körper in einer orntalen Symmetrie zum Torso stilisiert worden. Zu den bekanntesten Werken Hajek-Halkes gehört „Die üble Nachrede“ von 1932. Während sich Schemen eines nackten Frauenkörpers im Pflaster einer Straße spiegeln, sieht man drei Männer in Zylindern zusammenstehen und tuscheln. Die Montagetechniken des Films werden in solch erzählerischen Kombinationen aufgenommen. Schöner aber sind die Bilder, die sich uneindeutiger verhalten und ihr Geheimnis der Überlagerung nicht preisgeben: wie das Porträt „Risa Sattler“ (1929-30), das im abplatzenden Putz einer Mauer erscheint. Katrin Bettina Müller

Kunsthaus Lempertz, Linienstraße 153, bis 12. September; Dienstag bis Sonnabend 11-18 Uhr. 10. + 11. September Expertentermine.

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