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Kultur: Das Nahe und das Ferne

Auf ins Unbekannte: Zum Start des Internationalen Literaturfestivals

Von Gregor Dotzauer

Nichts einfacher, als dem schönen Chaos des 5. Internationalen Literaturfestivals Berlin auszuweichen, indem man nur die Lesungen der Stars besucht. Gleich zum Auftakt am heutigen Abend stimmt etwa der kosmopolitische Mexikaner Carlos Fuentes ein „Lob des Romans“ an und wird erklären, warum es nicht Eskapismus ist, sich mit Literatur zu beschäftigen, sondern mitten in die Wirklichkeit hineinführt. Ingesamt zwölf Tage lang, bis zum 17. September, könnte man sich, fast 300 Veranstaltungen von 150 Autoren lang, dann an das Defilee großer, gewiss nicht nur gefälliger Autoren halten: Hans Magnus Enzensberger, Kazuo Ishiguro, Doris Lessing, Kenzaburo Oe, Norman Manea oder Jonathan Safran Foer. Der schwierigere, aber reizvollere Weg besteht darin, ins hierzulande weniger Bekannte aufzubrechen und womöglich darauf zu stoßen, wie sich die vertraute geistige Topografie verschiebt.

Denn einerseits gibt es kaum noch einen Winkel dieser Erde, der sich nicht preisgünstig bereisen ließe. Andererseits scheint unser Verständnis für andere Kulturen dadurch nicht unbedingt zu wachsen: Unser kleiner Postkolonialismus ist das Festhalten am Mainstream. Was gibt es rund um das Haus der Berliner Festspiele, in dem das Gros der Lesungen stattfindet, nicht alles zu entdecken.

Da gibt es einen, Raúl Rivero, der ist Castros Gefängnissen knapp nach Madrid entkommen, und kann etwas erzählen vom Kampf um die Freiheit in Kuba. Da ist einer, Hazir Sulaiman, der stammt ab von Indern im malaysischen Kuala Lumpur, lebt in Singapur und hat mit bitteren politischen Satiren das Theater seiner Region umgewälzt. Da ist eine in ihrer Heimat Südafrika berühmte junge Frau, Gcina Mlophe, die hat das mündliche Erzählen neu belebt. Da ist einer, der lebt gleich nebenan, in Dänemark. Er heißt Søren Ulrik Thomsen und gilt mit seinen knapp 50 Jahren als bester Dichter seiner Generation Und da ist gleich noch einer von nebenan, der Pole Daniel Odija aus Stupsk, den wir nicht viel näher kennen als Mark Strand, den hochdekorierten Lyriker aus einem Land, das wir so gut zu kennen meinen: Amerika. Das Nahe und das Ferne: Hier überlagern sie einander. Und falls im Angebot auch Enttäuschungen lauern, erinnert das daran, dass auch vor der eigenen Haustür – mit Autorinnen wie Helga M. Novak – noch Überraschungen lauern.

Termine und ausführliche Autorenbiografien unter www.literaturfestival.com

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