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Kultur: Das neue Werk von Radek Knapp erzählt redlich bemüht das Erwachsenwerden des Gymnasiasten Waldemar

Das ist schon in Grimms Märchen so: Ein Jüngling kehrt seiner Heimat den Rücken, zieht in die Fremde, erlebt allerlei Abenteuer und ehelicht am Ende gar die Königstochter. Bis zur Königstochter reicht es bei dem polnischen Gymnasiasten Waldemar zwar nicht, aber Radek Knapp belohnt seinen Helden am Ende der Reise ebenfalls mit einer zarten Romanze.

Das ist schon in Grimms Märchen so: Ein Jüngling kehrt seiner Heimat den Rücken, zieht in die Fremde, erlebt allerlei Abenteuer und ehelicht am Ende gar die Königstochter. Bis zur Königstochter reicht es bei dem polnischen Gymnasiasten Waldemar zwar nicht, aber Radek Knapp belohnt seinen Helden am Ende der Reise ebenfalls mit einer zarten Romanze. Und auch sonst muss der vorwitzige Pole mit dem urdeutschen Namen alle aus der Märchenwelt geläufigen Stationen passieren. Mit Ratschlägen und Utensilien des westkundigen Nachbarn Herrn Kuka ausgestattet, nimmt Waldemar einen Bus nach Wien und verbringt dort seine Sommerferien. Kaum angekommen, wird der arglose Teenager auf die Probe gestellt, kommt vom Regen in die Traufe und wieder in den Regen, schlägt sich dennoch tapfer, gewinnt ein paar Freunde, durchschaut den Mythos vom goldenen Westen und streift die Reste seines alten Kinder-Ichs ab. Auf zärtlich-ironische Porträts der gewieften Landsleute folgen dann und wann Bemerkungen über den Westmenschen, ansonsten reichert Knapp das Ganze mit einer Prise Schelmenroman an und hat mit seinem neuen Roman "Herrn Kukas Empfehlungen" eine zeitgemäße Präsentation der altbekannten und oft wiedergekäuten jugendlichen Lehr- und Wanderjahren zum Ziel.

Radek Knapp bemüht sich redlich, die ausgetretenen Trampelpfade literarischer Erzählformen möglichst leichtfüßig entlang zu hüpfen, seinem rührenden Gymnasiasten einen lockeren Tonfall auf den Leib zu schneidern und eine originelle Geschichte über West und Ost zu erzählen. Doch nicht nur Waldemar läuft sich auf seinen Streifzügen durch Wien die Füße wund. Ein wenig hinkend biegt auch der Roman um die Großstadtecken. Knapps fünf Erzählungen ("Franio", 1994) über das polnische Provinzleben mit den spleenigen Gestalten und den einprägsamen Bildern besaßen einen besonderen Zauber. In "Franio" kam zum Beispiel dieses unbebaute Feld vor, das mitten in der Einöde lag, aber gesäumt war von Straßenlaternen und deshalb als Sehenswürdigkeit der Gegend galt. Die Dorfbewohner führten Besucher dorthin und nahmen Fotos auf.

Unvergesslich auch der Titelheld, ein Geschichtenerfinder, dem ganze Vogelschwärme hinterher flogen und dessen Vorlesestunden aus alten Zeitungen das gesamte Dorf begeisterten. Dass Franio keinen einzigen Buchstaben des Alphabets kannte, war zweitrangig. Neben gebührendem Lob bekam Knapp für seinen Erstling damals den "Aspekte"-Preis und konnte sich vor Angeboten verschiedener Verlage kaum retten.

Warum ist "Herrn Kukas Empfehlungen" nun so viel schwächer als das erste Buch? Vielleicht liegt es an der stilisierten Naivität Waldemars, die allzu studiert und ausgedacht wirkt. Das Polnisch-Kauzige aus "Franio" ist futsch, nur an zwei, drei Stellen blitzen in der Figur des Herrn Kuka oder des treuen Freundes Bolek Reste davon auf. Waldemar ist ein ganz normaler Teenager, der sich bis auf seine Turnschuhe wenig von seinen West-Genossen unterscheidet. Sein Blick auf die fremde Welt ist kaum origineller als der eines alternativen Reiseführers.

Die Szenen über polnische Schmuggelmethoden sind zwar ganz unterhaltsam, aber sie vermögen den Roman nicht zu tragen und können den Leser nur bedingt fesseln. Mitunter irritiert die stilistische Unbeholfenheit: "Zehn Minuten darauf deutete nichts darauf hin, was sich vor kurzem im Bus abgespielt hatte". Wie vor einer schweren Schulaufgabe scheint Knapp vor seinem zweiten Buch gesessen zu haben. Seine erzählerische Frische und Spontaneität sind ihm dabei leider streckenweise verloren gegangen.Radek Knapp: Herrn Kukas Empfehlungen. Roman. Piper Verlag, München 1999. 250 Seiten, 38 Mark.

Maike Albath

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