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Kultur: Das Vieldeutige im Eindeutigen - Im Museum der bildenden Künste Leipzig

"Hinter den sieben Bergen" heißt ein Schlüsselbild des Leipziger Malers aus dem Jahre 1973: Eine spiegelnde Asphaltstraße, flankiert vom "Eia-po-peia" der Hinweistafeln, schlängelt sich durch eine panorama-artige Natur- und Industrielandschaft bis zu den sieben Bergen am fernen Horizont, über denen eine barbusige Frau mit Blumen und bunten Luftballons, die trügerische Fata Morgana von Glück und Freiheit, auftaucht. Zwanzig Jahre später hat Wolfgang Mattheuer mit "Hinter den 7 x 7 Bergen" das Gegenstück geliefert, das sich wie ein bitter-elegischer Abgesang liest: Zwei Hochhäuser rahmen eine bis zur Meeresküste reichende und vom "Eia-po-peia" der Leuchtreklame überflutete Großstadtlandschaft ein, über der nun selbst drei lockende Freiheitsgöttinnen nicht mehr eine Spur von Zuversicht herbeizaubern können.

"Hinter den sieben Bergen" heißt ein Schlüsselbild des Leipziger Malers aus dem Jahre 1973: Eine spiegelnde Asphaltstraße, flankiert vom "Eia-po-peia" der Hinweistafeln, schlängelt sich durch eine panorama-artige Natur- und Industrielandschaft bis zu den sieben Bergen am fernen Horizont, über denen eine barbusige Frau mit Blumen und bunten Luftballons, die trügerische Fata Morgana von Glück und Freiheit, auftaucht. Zwanzig Jahre später hat Wolfgang Mattheuer mit "Hinter den 7 x 7 Bergen" das Gegenstück geliefert, das sich wie ein bitter-elegischer Abgesang liest: Zwei Hochhäuser rahmen eine bis zur Meeresküste reichende und vom "Eia-po-peia" der Leuchtreklame überflutete Großstadtlandschaft ein, über der nun selbst drei lockende Freiheitsgöttinnen nicht mehr eine Spur von Zuversicht herbeizaubern können.

Mattheuers eigenwillige Sinn-Bilder haben uns im Osten Deutschlands wenigstens zwei Jahrzehnte begleitet und unseren Blick geschärft. Sein Werk war in der DDR anerkannt und umstritten zugleich, das scheinbar Eindeutige löste sich stets im Vieldeutigen der Bildformen auf. Man konnte nie sicher sein, wie sie von anderen verstanden wurden. Zum 73. Geburtstag Mattheuers gibt das Museum der bildenden Künste in Leipzig den ersten umfassenden Werkeinblick seit der letzten großen Retrospektive 1988 in der damaligen Ostberliner Nationalgalerie: gut 100 Bilder, Zeichnungen und Plastiken aus der Sammlung Ursula und Wolfgang Mattheuer, ergänzt durch den Bestand des Museums. Nur auf die Druckgraphik verzichtete man, sie wurde bereits 1997 in den Städtischen Kunstsammlungen Chemnitz vorgestellt, wo man für übernächstes Jahr die Jubiläums-Retrospektive plant.

Man geht von Bild zu Bild und gibt sich den Erinnerungen hin. Das "Liebespaar" (1970) schwebt ineinander verschlungen selbstvergessen über Strand und Meer. Jeglicher Zeitbezug scheint aufgehoben. Doch die DDR-Kritik bescheinigte seinerzeit dem Künstler, dass er die "Dauerhaftigkeit der Liebe als Inhalt sozialistischer, zwischenmenschlicher Beziehungen" gestaltet habe. In Sinnbildern verschlüsselte Mattheuer seine Träume, Ängste und Hoffnungen. Ein ganzes Geflecht von Motiven, versatzstückhaft in seinem Werk eingesetzt, war zu deuten und gleich wieder in Frage zu stellen, denn alle voreiligen Schlüsse liefen fehl. Figuren der Mythologie wurden zu unseren Zeitgenossen. Sisyphos, der immer wieder vergeblich den Felsbrocken bergan geschoben hat, empört sich gegen seine sinnlose Fron. Er wandelt sich zum Bildhauer, behaut den Stein, damit die anderen zu Aktivität und Widerstand aufrufend.

Der Flug des Ikarus kann für die tödliche Flucht stehen, der im Todesstreifen endet. Oder er erregt lediglich für einen Augenblick die Aufmerksamkeit einer Reisegesellschaft in "Seltsamer Zwischenfall" (1984). Wie hat uns damals die Paradoxie in dem Bild "Die Ausgezeichnete" (1973/74) erschüttert: Die so Geehrte in unsäglicher Einsamkeit aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Ging damals Beunruhigung von seinen Bildern aus, störte der Wahrheitsfanatiker Mattheuer Bequemlichkeit und drängte er auf Veränderung, so betrachtet man heute die Bilder und Zeichnungen aus 40 Jahren wie Zeitdokumente, bildgewordener Ausdruck einer End-Zeit. Die Gleichnisse, Bildzitate und Bedeutungsperspektiven scheinen nicht mehr so ohne weiteres auf heute übertragbar, die spannungsvolle Reibung hat sich verbraucht und die Bildräume und Bühnen haben an Suggestivität eingebüßt. Eher bleibt man da schon vor den späten magischen Landschaften stehen, raffinierten Caspar-David-Friedrich-Paraphrasen. Der Respekt aber ist geblieben; wir wissen, was wir den Bildern Mattheuers zu verdanken haben.Museum der bildenden Künste Leipzig bis 12. Juni. Katalog 30 Mark.

Klaus Hammer

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