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Deine Lakaien: "Für den Admiralspalast waren wir zu laut"

Für die Band Deine Lakaien ist jeder Auftritt ein Experiment. Sänger Alexander Veljanov spricht exklusiv mit Tagesspiegel Online über Schubladen, Avantgarde und die Arbeit mit der Neuen Philharmonie Frankfurt.

Herr Veljanov, die letzte Woche hatte uns der Orkan Kyrill fest in der Hand. Ihre Musik würde doch den perfekten Soundtrack für einen Sturm abgeben. Wird doch fast jedes ihrer Alben von der Mischung aus melancholischer Stille und bombastischen Hymnen bestimmt.

Wir stehen wohl eher für die Ruhe vor dem Sturm, obwohl wir auch härtere, aggressive Elemente in unserer Musik haben. Unser Konzept ist es jedoch schon, den Zuhörer in ein Wechselbad der Gefühle zu tauchen. Wir wollten nie reine Kuschelmusik machen, die man abends beim Rotwein einlegt und die Kerzen anzündet. Für viele Menschen klingen unsere Songs einfach nur düster und depressiv, andere ziehen viel positive Kraft aus unserer Musik. Da unsere Texte immer nach dem Sinn des Lebens fragen und sich damit beschäftigen, wie man den richtigen Weg im Leben findet und nicht die Negierung der Welt zum Inhalt haben, wurden wir trotzdem mißverstanden als Weltverneiner - die wir faktisch nicht sind.

Wenn man nach Deine Lakaien im Plattenladen sucht, steht man vor dem Problem, wo man überhaupt suchen soll. Electronic, Wave, Pop? Beim Downloadportal Itunes kann man Sie unter Folk finden. Lässt sich Ihre Musik überhaupt zuordnen?

Dass wir jetzt sogar in der Kategorie Folk gehandelt werden, empfinde ich eher als Kompliment. Tatsächlich fällt es schwer, uns in eine Schublade zu packen. Ein Aspekt, der für die Einzigartigkeit unserer Musik spricht. Wir hatten immer vor, Grenzen zu überschreiten und verschiedene musikalische Stilrichtungen zu einem Gesamtkonzept zu verweben. Unsere Musik ist sowohl von klassischen und mittelalterlichen Elementen als auch vom Post-Punk und New Wave der frühen 80er Jahre geprägt.

Deine Lakaien gibt es jetzt seit 20 Jahren. Mit Ernst Horn haben Sie einen ausgebildeten Kapellmeister an Ihrer Seite. Er hat damals per Zeitungsanzeige nach einem Sänger für ein innovatives Musikprojekt gesucht und Sie haben sich gemeldet. Wie sah der Projektplan aus?

Tatsächlich hatte Ernst Horn damals genug von seiner Arbeit als Theaterpianist und Komponist am Bayerischen Staatsschauspiel in München. Er wollte etwas ganz Neues ausprobieren. Als wir uns das erste Mal trafen, war es nicht unbedingt die Liebe auf den ersten Blick. Da standen sich zwei Männer gegenüber, die ziemlich verschieden waren und der Altersunterschied war nicht zu übersehen. Als wir dann anfingen, uns über Musik zu unterhalten, war das Eis schnell gebrochen, obwohl unser Musikgeschmack unterschiedlicher nicht hätte sein können. Ernst war geprägt von den 60er Jahren und deren musikalischen Strömungen, ich hingegen kam aus der New Wave-Ecke und der psychedelischen Musik. Nur diese Kombination hat Deine Lakaien erst möglich gemacht. Es gab keinen direkten Plan sondern nur den Wunsch, ein neues Experiment zu wagen - auf der Bühne und im Studio. So traten wir oft in Viererbesetzung mit Elektronik und, zu zweit, "Acoustic" mit präpariertem Flügel und Gesang auf. Mit dem Album "Dark Star" gelang uns schließlich auch der internationale Durchbruch. Doch wir haben nie versucht, diesen Erfolg einfach zu kopieren, bzw. zu duplizieren. Ich denke, man hört es unserer Musik an, dass wir immer etwas Neues ausprobieren und weiterentwickeln wollen.

Sie werden nicht gerne mit Bands wie Depeche Mode verglichen, doch einige Parallelen gibt es schon. Beide haben sie die Independent-Szene über Jahrzehnte geprägt, sind äußerst experimentierfreudig und wie Martin L. Gore haben sie ebenfalls Solopfade beschritten, sogar mit dem selben "Lied vom einsamen Mädchen", das schon Marlene Dietrich und Hildegard Knef interpretierten.

Ich halte Vergleiche mit großartigen Bands wie Depeche Mode für Unsinn. Eine gute Band ist immer sie selbst. Wir haben immer versucht, uns als Elektroprojekt zu positionieren. Deswegen arbeiten wir bei unserer aktuellen Jubiläumstour mit dem Begriff "20 Jahre elektronische Avantgarde". Viele deutsche Bands haben versucht, die Musik von Depeche Mode zu kopieren. Das haben wir nie verstanden. Und was unsere Soloprojekte angeht, war immer klar, dass wir das Projekt Deine Lakaien nie als Zwangsjacke gesehen haben. Erfolgreiche Alben wie "White Lies" wären nie möglich gewesen, wenn ich nicht mit meinem Soloprojekt Veljanov neue Wege beschritten und Ernst keinen Raum für seine Hörspielproduktionen gehabt hätte. Die Pausen haben Deine Lakaien eher befruchtet und waren eine vernünftige Entscheidung, die nicht aus einem Streit geboren wurde. Übrigens: ich habe das "Lied vom einsamen Mädchen" auf meinem Veljanov-Album interpretiert, bevor es Martin L. Gore getan hat. Sein Management rief bei unserem Plattenlabel an, um sich nach dem Song zu erkundigen, da Martin anscheinend Gefallen daran gefunden hatte.

Wer einmal eines Ihrer Konzerte besucht hat, weiss, dass er ein echtes Unikat bekommen hat. Wie schaffen Sie es, das keiner ihrer Auftritte dem anderen gleicht?

Vielleicht liegt es daran, dass ich einfach kein Entertainer sein will. Ich wurde einfach auf die Bühne geschubst und war nie eine Rampensau. Es gibt viele Sänger, die vom Blatt singen, die gar nicht singen, die beim Singen fernsehen oder gar nicht singen können - und trotzdem sehr erfolgreich dabei sind. Der erfolgreichste Nichtsänger ist wohl Nick Cave, den ich sehr schätze. Für mich wäre es jedoch eine Bankrotterklärung, wenn ich auf der Bühne Playback singen würde. Ich versuche auf der Bühne immer etwas anderes zu machen, mit meiner Stimme zu spielen. Ich kümmere mich nicht darum, dem Publikum alles rechtzumachen, genauso auch mein Partner, der immer wieder etwas Neues ausprobiert, was manchmal anstrengend für die Crew und das Publikum ist. Doch das Ergebnis ist tatsächlich immer ein anderes. Ich würde mich nie in eine Choreographie pressen lassen. Auf der Bühne bin ich einfach ich - und ich bin halt jeden Tag anders. Durchgestylte Shows sind nicht unsere Sache. Jeder Auftritt ist ein Experiment, an dem die Zuschauer teilhaben dürfen. Vielleicht ist das unser Erfolgsrezept.

Auf Ihrer Jubiläumstour treiben Sie die Symbiose aus E- und U-Musik auf die Spitze, in dem sie mit der neuen Philharmonie Frankfurt auftreten. Wenn man Ihr Werk über die Jahre verfolgt hat, könnte man vermuten, dass es schon immer Ihr Plan war, die starre Trennung von Musikkategorien aufzulösen.

Ich halte die Unterteilung in E- und U-Musik für einen totalen Schwachsinn. Auch der Begiff "Klassik" ist eine Frechheit. Was uns heute unter dieser Kategorie verkauft wird, hat rein gar nichts damit zu tun. Da wird das Publikum einfach an der Nase herumgeführt. Die Klassik war einfach nur eine kurze Periode in der Musikgeschichte - und heute muss der Begriff für alles herhalten, was irgendwie anspruchsvoll klingen soll. Deine Lakaien haben dieses Schubladendenken nie unterstüzt oder sich an ihm orientiert. Dahinter steckt jedoch kein Plan, sondern der einfache Wunsch, sich nicht festlegen zu müssen, um vermarktbar zu bleiben.

Ihr Partner Ernst Horn ist ja sehr experimentierfreudig, in dem er beispielsweise Gläser zwischen Saiteninstrumente klemmt, um damit schräge Töne zu erzeugen.Was dürfen wir bei Ihrem neuen Tourkonzept auf der Bühne erwarten?

Die Zusammenarbeit mit der Neuen Philharmonie Frankfurt ist bereits ein Experiment für sich. Wir nutzen den Klangcorpus eines Orchesters, um die komplette Bandbreite unseres musikalischen Werks der letzten 20 Jahre neu zu interpretieren. Dabei gehen wir weiter, als bei unseren letzten Auftritten, wo wir sowohl gesanglich, als auch mit elektronischem Instrumentarium experimentierten. Aber zuviel wollen wir nicht verraten.

Für Ihr Konzert in Berlin haben Sie sich die Arena Treptow ausgesucht. Wollten Sie die drei Berliner Opernhäuser nicht reinlassen?

Der jetzige Veranstaltungsort ist sicherlich nicht unsere Wunschlocation. Die Opernhäuser blieben uns aus programmtechnischen Gründen verschlossen. Unsere erste Wahl fiel auf das Konzerthaus am Gendarmenmarkt, das allerdings für unsere Zwecke zu klein war. Schön wäre auch der Auftritt im neuen Admiralspalast gewesen, in dem wir bereits ein Musikvideo gedreht hatten. Für die waren wir allerdings zu laut.

Wie geht das Projekt Deine Lakaien weiter? Wäre nicht die Konsequenz Ihrer Arbeit eine Crossmusikale Oper, oder sehen wir Sie bald in der Jury eines neuen Castingformates?

Deutschland sucht den Super-Goth, oder was? Nein, das würde ich nie machen. Eine Oper steht ebenfalls nicht auf dem Plan. Erst einmal wollen wir eine erfolgreiche Tour absolvieren, zu der wir auch erstmals eine DVD produzieren werden. Danach werde ich mein Soloalbum fertigstellen. Aber ein Theaterprojekt - das könnte ich mir für Zukunft schon vorstellen.

Das Interview führte Dirk Hoenerbach.

Deine Lakaien & die Neue Philharmonie Frankfurt am Montag, den 19. Februar 2007 um 20 Uhr in der Arena. Tickets gibt es hier.

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