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Kultur: Dem Maitre de Cuisine des Adlons in die Töpfe geschaut

Zu all den Superlativen, die das Hotel Adlon bereits auf sein Dach gehäuft hat, ist jetzt ein neuer hinzugekommen: Es hat nun auch den prächtigsten Hausprospekt der Welt. "Kochkunst im Adlon" heißt der bei Nicolai erschienene Foliant, hat 214 Seiten, viele historische Dokumente, Fotos und Rezepte, einen ausführlichen Essay über die Geschichte des Hauses - und kostet 98 Mark; freilich dürfen sehr gute Stammgäste wohl auf eine Gabe hoffen .

Zu all den Superlativen, die das Hotel Adlon bereits auf sein Dach gehäuft hat, ist jetzt ein neuer hinzugekommen: Es hat nun auch den prächtigsten Hausprospekt der Welt. "Kochkunst im Adlon" heißt der bei Nicolai erschienene Foliant, hat 214 Seiten, viele historische Dokumente, Fotos und Rezepte, einen ausführlichen Essay über die Geschichte des Hauses - und kostet 98 Mark; freilich dürfen sehr gute Stammgäste wohl auf eine Gabe hoffen ...

Ein Kochbuch also, wenn man den prosaischen Begriff ertragen mag, aber gewiss keins für die Küche. Dafür ist der großformatige, in Leinen gebundene, herrlich nach Buch riechende Band zu schade. Er dient eher der Repräsentation, und er trifft den absichtsvoll überladenen Stil des Hotels ganz genau. Die Bilder strotzen nur so von allen Farben des Regenbogens, sie haben Vorder- und Hintergrund, zeigen Porzellan und Silber und Gold, und auf manchen Tellern fehlt (um ein Bonmot von Joseph Wechsberg auszuleihen) nur noch der Rolls-Royce. Man ist froh, dass die allgegenwärtigen Kräuterzweiglein und -sträußlein wenigstens nicht auch noch aus den Weingläsern herauswachsen.

Stephan Franz, der hervorragende Chefpatissier des Hotels, äußerte sich kürzlich zu Recht pikiert über die Marotte vieler Köche, jedes Dessert zwanghaft mit Minze zu begrünen - und prompt haben sich die Foto-Stylisten mit ein paar Blättchen gerächt.

Sieht man von derlei Geschmacksfragen ab, sind die Rezepte von Karlheinz Hauser und Stephan Franz zweifellos gut gelungen und für den Hausgebrauch sinnvoll überarbeitet. Allerdings möchte man Anfängern von den komplizierten Sachen doch abraten: Lakonische Anweisungen wie "die Entenstopfleber kurz grillen" tragen den Kern der häuslichen Katastrophe bereits in sich. Hauser, ein Witzigmann-Schüler, ist bekanntlich kein großer Erfinder, sondern kocht ganz im Rahmen der klassischen, mediterran abgeschmeckten Moderne. Er setzt auf die in seiner Restaurantkategorie üblichen Luxusprodukte, lässt aber bei der Bestückung von Buffets und Bewirtung von Empfängen auch ein gewisses Interesse am fernen Osten anklingen. Dankenswerterweise enthält das Buch eine Liste seiner Lieferanten von Rungis Express bis Emzett.

Mit Ausnahme des abschließenden historischen Essays von Diethelm Kaiser bleiben die Textautoren ungenannt. Die Idee hatte Nicolai-Verleger Dieter Beuermann, für "Konzept und Projektmanagement" zeichnet Marylea van Daalen, die Frau des Hoteldirektors, verantwortlich. Dies mag der Grund dafür sein, dass das Buch auf äußerst eindringliche Weise suggeriert, es gebe kein besseres, schöneres und traditionsreicheres Hotel unter der Sonne. Das stimmt ja womöglich sogar. Aber ist es fein, es dann auch noch so kategorisch mitzuteilen?

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