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Kultur: Demo gegen Rechts: Zwischen Militanz und Hilfe für Opfer rechter Gewalt

Ob sie wieder dabei sind? Noch ist unklar, wie die Autonomen mit der Demonstration am 9.

Von Frank Jansen

Ob sie wieder dabei sind? Noch ist unklar, wie die Autonomen mit der Demonstration am 9. November "umgehen" werden. Krawalle sind, so ist in der Szene zu hören, kaum zu erwarten. Vielleicht wird die Veranstaltung der bürgerlichen Demokraten sogar ignoriert. Die Autonomen halten nicht viel von "Deutschland einig Antifa", wie sie die seit Sommer brodelnde Rechtsextremismus-Debatte bespötteln. Vielmehr wird Neonazi-Gewalt als eine Art "Outsourcing" des Staates empfunden - dieser misshandelt Flüchtlinge in Abschiebeknästen, jene prügeln Asylbewerber durch die Straßen. Aus dieser Sicht erscheint es logisch, dass Richard von Weizsäcker bei der Großdemonstration im November 1992 mit Eiern beworfen wurde. Doch hat sich die Antifa stärker verändert, als die Öffentlichkeit wahrnimmt. In manchen Gruppen wird Militanz kontrovers diskutiert.

In den 90er Jahren musste sich die radikale Linke auf unangenehme Realitäten einstellen. Weder war sie in der Lage, mit ihren Methoden die rechte Gewalt zu stoppen, noch konnte sie, wie in den Hausbesetzerzeiten Anfang der 80er Jahre, ein größeres Sympathisantenpotenzial mobilisieren. Selbst in ihrer "Hochburg" Berlin gelang es den Antifas nicht, Aufmärsche von Neonazis wirkungsvoll zu stören. Den größten Rückschlag erlebte die linke Szene allerdings am 1. Mai 1998 in Leipzig. Selbstverschuldet

Schlacht in Leipzig

Die Stadt hatte bis zuletzt versucht, den angekündigten NPD-Aufmarsch am Völkerschlacht-Denkmal zu verhindern. Doch das Verbot wurde vom Oberverwaltungsgericht Bautzen aufgehoben. Es gab allerdings eine Chance, die Kundgebung der Neonazis zu vereiteln. Am Abend des 30. April fand auf dem Platz ein Rockkonzert gegen Rechts statt, mit prominenten Bands und 10 000 Fans. Auch viele Antifas waren schon in Leipzig. Doch der von einzelnen Linken unternommene Versuch, mit einer friedlichen Platzbesetzung der NPD das Aufmarschgelände wegzunehmen, fand kaum Resonanz. Es fehlte die nötige "Power" einer engagierten Gruppe, die auf das Rockpublikum hätte einwirken können. Die Autonomen bereiteten sich lieber auf eine Schlacht am nächsten Morgen vor.

So wurde Leipzig nicht zum bundesweit beachteten Symbol zivilen Ungehorsams zum Nachteil der NPD. Stattdessen führten die Autonomen das übliche Ritual auf: Massive Steinwürfe auf die Polizei, die sich vor die höhnisch applaudierenden Neonazis stellen musste. Doch "Leipzig" ist bis heute in der Antifa-Szene umstritten. Einige Gruppen praktizieren heute eine Art humanitären Anti-Rassismus - und setzen um, was von Politikern oft nur angekündigt wird.

Da wäre zum Beispiel die "Aktion Noteingang". Diese Brandenburger Linken animieren Einzelhändler, an ihren Türen Aufkleber anzubringen: "Wir bieten Schutz vor faschistischen Übergriffen", ist da zu lesen. Tatsächlich haben sich attackierte Migranten in markierte Geschäfte geflüchtet.

Die "Aktion Noteingang" hat im September den "Aachener Friedenspreis" erhalten. Im Dezember wird die Internationale Liga für Menschenrechte die Beratungsstelle "Opferperspektive" mit der Carl von Ossietzky-Medaille auszeichnen. Der mit der Antifa-Szene verwobene Verein kümmert sich um etwa 60 Opfer rechter Gewalt, nahezu wöchentlich kommt ein weiterer Fall dazu.

Der militante Flügel gibt jedoch nicht auf. Da werden Autos von Neonazis angezündet oder diese mit Eisenstangen angegriffen. Wohin die Antifa-Szene will, scheint ihr allerdings selbst nicht klar zu sein. Im "Antifaschistischen Infoblatt" wurde kürzlich die Kombination von "militantem Selbstschutz" und "Bündnissen mit allen möglichen gesellschaftlichen Kräften" propagiert. Wie das am 9. November aussieht, ist offen.

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