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Literaturkritiker Denis Scheck

© Oliver Schmauch

Yuval Noah Harari, Stephen Hawking, Michelle Obama: Denis Scheck kommentiert die Bestsellerliste

Einmal monatlich bespricht Literaturkritiker Denis Scheck die „Spiegel“-Bestsellerliste, abwechselnd Belletristik und Sachbuch - parallel zu seiner ARD-Sendung „Druckfrisch“. Diesmal: Sachbuch.

10.) Dirk Müller: „Machtbeben“ (Heyne, 352 Seiten, 22 €.)

Ich wäre reicher, hätte ich auf die Finanzmarktprognosen Müllers gehört und 2018 entsprechend investiert. Aber auch, wenn Müller mit seinem Aktien-Alarmismus im letzten Jahr recht behielt: die Vergleichsgrößen des von den Medien „Mr. Dax“ getauften Müller sind nicht Finanzgenies wie Warren Buffett, Müllers Kragenweite entspricht eher der „Geldbriefträger“ Walter Spahrbier. Dieser Mann bekommt mein Sparschwein nicht!

9.) Elli Radinger: Die Weisheit alter Hunde (Ludwig, 320 Seiten, 22 €.)

Hart an der Kitschgrenze hat die Wolfsexpertin Radinger ein Buch übers Altern von Mensch und Hund geschrieben. Trotz vieler Binsenweisheiten – Sätze wie „Mutig sein heißt, seine Gefühle zum Ausdruck zu bringen, wenn man traurig, ängstlich oder verletzlich ist“ – lohnt die Lektüre, denn sie ist eine gute Vorbereitung auf den Tod von Tier wie Tierhalter.

8.) Frank Bösch: Zeitenwende 1979 (C.H. Beck, 512 Seiten , 28 €.)

Ein einsichtsreiches Sachbuch über die Geburt des Neoliberalismus und der grünen Ideologie, das Ende des sowjetischen Imperiums und den Beginn der Herrschaft der Ayatollahs. Allerdings hat die Studie des Potsdamer Historikers Frank Bösch einen Makel: Er hat „1979“ von Christian Kracht übersehen. Krachts hellsichtiger, bereits 2001 veröffentlichter Roman ist ein schlagender Beleg für Literatur als Frühwarnsystem – und Böschs blinder Fleck ein Indiz für die Kunstfremdheit deutscher Historiker.

7.) Eckhard v. Hirschhausen/Tobias Esch: Die bessere Hälfte (Rowohlt, 288 S., 18 €.)

Dass auch das Leben jenseits der 40 noch viel Freude bereiten kann, ist richtig. Man kann etwa Bücher voll flacher Witzchen, banaler Einsichten und dumpfem Eigenlobs lustvoll in die Tonne treten.

6.) Yuval Noah Harari: 21 Lektionen für das 21. Jahrhundert (Deutsch von Andreas Wirthensohn, C. H. Beck, 459 S., 24,99 €.)

Kluge Essays über die unsere Gegenwart prägenden Mächte wie Künstliche Intelligenz und Biotechnologie. Am stärksten ist der israelische Historiker, wenn er darüber spricht, wie ihm tägliches Meditieren hilft, in der Flut der Nachrichten Trübsal zu vermeiden: „Leid“, so Harari, „ist kein objektiver Zustand in der äußeren Welt. Er ist eine mentale Reaktion, die von meinem eigenen Geist erzeugt wird.“

5.) Olaf Köhne/Peter Käfferlein: Dirk Rossmann (Ariston, 240 S. 20 €.)

Was für eine schleimerische Unternehmerbiografie! Nach einer Audienz bei Papst Franziskus, während der der Kondom-Verkäufer Rossmann empfiehlt, Empfängnisverhütung zu erlauben, erkennt der Drogeriemarkt-Filialist: „Für mich ist der Papst ein Mann wie du und ich.“ Ich kann mir dieses peinliche Buch auf der Bestsellerliste nur so erklären, dass Rossmann selbst seine Bücher kauft.

4.) Anne Fleck: Ran an das Fett (Wunderlich, 432 S. 24, 99 €.)

„Fett kann heilen“ behauptet die Hamburger Rheumatologin Anne Fleck und untermauert ihre These mit vielen guten Argumenten und lehrreichen Fallbeispielen. Ich und viele andere Leser würden sich freuen, wenn Frau Doktor Fleck nach dem Fett ihre revolutionären Forschungen auch auf Tabak und Alkohol richtet.

3.) Bas Kast: Der Ernährungskompass (C. Bertelsmann, 320 S. 20 €)

Ein Loblied auf Omega-3-Fettsäuren singt auch der Wissenschaftsjournalist Bas Kast, dessen anschaulich geschriebenes und informatives Sachbuch sich auf eine Meta-Analyse aller zwischen 1950 und 2013 durchgeführten Ernährungsstudien stützt. Also: Butter bei die Fische!

2.) Stephen Hawking: Kurze Antworten auf große Fragen (Deutsch von Susanne Held u. Hainer Kober, Klett-Cotta, 253 S. , 20 €.)

Das Vermächtnis des großen Astrophysikers enthält neben Antworten auf letzte Fragen auch einen guten Witz und eine Warnung vor Künstlicher Intelligenz. „Die Menschen fragten einen Computer: ,Gibt es einen Gott?’“ schreibt Hawking. „Und der Computer sagte: Ja. Ab jetzt“ - und brannte mit dem Stecker durch.“

1.) Michelle Obama: Becoming (diverse Übersetzerinnen, Goldmann, 544 S., 26 €.)

Jede Zeit hat ihre Mutmach-Ikonen. Dass die in der Bunderepublik nicht mehr Elly Heuss-Knapp heißen, sondern zum Beispiel Michelle Obama, ist begrüßenswert. „Wenn ich all die Dinge aufschreiben wollte, die einem keiner sagt, bis man selbst mittendrin steckt, würde ich vermutlich mit Fehlgeburten anfangen“, schreibt die Anwältin Obama. Eine Autobiografie, gleichermaßen spannend wie berührend und niemals eitel.

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