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Kultur: Der 15-Jahre-Blues

Es gibt einen frischen Wind in der jungen deutschen Filmszene - und der weht mitten ins Leben hinein. Es ist das Leben der gerade erwachsen werdenden Generation, und es sind unaufgeregte, aber doch leidenschaftliche Filme.

Es gibt einen frischen Wind in der jungen deutschen Filmszene - und der weht mitten ins Leben hinein. Es ist das Leben der gerade erwachsen werdenden Generation, und es sind unaufgeregte, aber doch leidenschaftliche Filme. Unter diesen neuen großen kleinen Filmen ist "Mein Stern" der Berliner Regisseurin Valeska Grisebach im Augenblick der Bescheidenste - und der Größte.

"Mein Stern" erzählt von zwei Teenagern, Nicole und Christopher, genannt Schöps, die tun, was viele mit 15 tun: rumhängen. Praktikum machen. Fahrradfahren. Die Liebe ist erstmal nichts als eine Frage und das, was sich fast beiläufig daraus ergibt. "Würdest du mit mir gehen?" "Warum nicht." Anbandeln, Fremdgehen, Schlussmachen, Neubeginn. Nicole und Schöps ziehen das fast pflichtgemäß durch. Zum Glück ist Nicoles Mutter oft zum Schichtdienst aus dem Haus und die beiden können auf der Couchgarnitur die Annäherung erproben, Eierlikör und viel Schweigen inbegriffen. Die kleine Schwester stört manchmal.

Neben Nicole und Schöps sehen die "authentischen" Helden anderer Jugendfilme aus wie geklonte Models. Dabei handelt es sich keineswegs um einen Dokumentarfilm: Valeska Grisebach hat zwar gründlich recherchiert. Dann aber gab es Drehbuch, Castings und Proben. Nicole und Christopher heißen zwar auch in Wirklichkeit so und waren sogar mal ein Paar. Doch hier sind sie Schauspieler. Im Durchagieren der Situationen hätten sie einiges über sich selbst erfahren, berichteten die beiden bei der Berlinale-Premiere: Film als Schärfefolie zum Erfahrungsgewinn. Und das Leben als Rollenspiel. Denn der scheinbare Naturalismus verflüchtigt sich zusehends. Fast künstlich überhöht wirken viele Szenen, als würde ein Vergrößerungsglas auf die Welt gehalten.

Im Gegensatz zu extra coolen Jugend-Filmen wie "Lammbock" oder "Nichts Bereuen" stellt "Mein Stern" das Lebensgefühl seiner Protagonisten nicht aus, sondern versucht, ihre Lebenswelten zu erforschen. Damit steht der Film glücklicherweise nicht allein. Erstaunlicherweise aber ist es fast ausschließlich ein kleiner Berliner Verleih, der dafür sorgt, dass Filme wie Angela Schanelecs "Mein langsames Leben", Thomas Arslans "Ein schöner Tag" oder Marie Speths "In den Tag hinein" in die Kinos kommen: Der peripher-Verleih, der vom Kollektiv des Kreuzberger fsk-Kinos betrieben wird. "Mein Stern" ist mit insgesamt neun Verleihkopien die bisher größte Kraftanstrengung dieses engagierten Verleihs. Eine programmatische Wahl.

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