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Kultur: Der alte Wilde

Eben zählte er noch zu den Jungen Wilden, und nun wird er 60.Die literarische Entwicklung von Amos Oz ist gleichzeitig die Emanzipationsgeschichte einer Generation, die selber nicht mehr an der Staatswerdung Israels mitwirken konnte.

Eben zählte er noch zu den Jungen Wilden, und nun wird er 60.Die literarische Entwicklung von Amos Oz ist gleichzeitig die Emanzipationsgeschichte einer Generation, die selber nicht mehr an der Staatswerdung Israels mitwirken konnte.Ihr wurde ohne eigenes Zutun ein jüdischer Staat in die Wiege gelegt.Wenige israelische Autoren haben es wie Oz verstanden, das Dilemma jener melancholischen Epigonen so treffend zu skizzieren: Konfrontiert mit den hartleibigen und ideologiefesten Pionieren mußten sie zur verweichlichten und orientierungslosen Generation werden, fehlte ihnen doch der einigende Zweck: der Fluchtpunkt einer gemeinsamen Utopie.

Amos Oz, der mit 15 Jahren aus Protest gegen seine Familie in einen Kibbuz eintrat, hat es nicht dabei belassen, in einfühlsamen Charakterstudien der "verlorenen Generation" Gesicht und Stimme zu geben.Indem er in seinen frühen Romanen, die - wie "Mein Michael" - meist im Kibbuz spielen, den Vorrang individueller Lebensgestaltung vor ideologischer Vereinnahmung behauptete, wurden seine Bücher zum Politikum: Weder die alten Kämpen der Kibbuzbewegung noch die Nationalisten konnten eine Generation akzeptieren, die sich allen politischen und nationalen Ansprüchen zu verweigern schien.Konflikte, die durch die Enge der Gemeinschaftssiedlung und die ineinander verschränkten Biographien der Mitglieder noch verschärft wurden.So schreibt der alternde Kibbuzsekretär Lifschitz an den Premier Eschkol in "Der perfekte Frieden": "Unser Opfer ist umsonst gewesen.Vor unseren Augen wächst eine neue Diaspora heran.Mit Söhnen wie den meinigen kann man keine Dynastie begründen." Obwohl er in seinen Kibbuz-Romanen eine schützende Hand über seine ins Private flüchtenden Protagonisten hielt, ist Amos Oz durch sein Engagement für "Frieden Jetzt" harten politischen Auseinandersetzungen nie aus dem Weg gegangen.Was seinen Qualitäten als Romancier keinen Abbruch tat.Er selber sagt von sich, daß er einen Zeitungsartikel schreibe, wenn er zu einem Thema eine eindeutige Ansicht habe; fände er in sich widersprüchliche Positionen vor, würde er statt dessen einen Roman verfassen.So ist denn auch in seinen letzten Büchern, die nicht mehr im Kibbuz spielen - Amos Oz lebt selber inzwischen in Arad - die Politik präsenter.Jedoch nicht als argumentative Strategie, sondern nur als gesellschaftliche Realität, in der sich seine Charaktere bewegen.Aber als zoon politikon wird der Jubilar auch in diesem israelischen Wahlkampf weiter den friedlichen Ausgleich mit den Palästinensern fordern.

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