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Kultur: Der Ausdruck drängt

ARCHITEKTUR

In dunklem Ziegelrot mit spitz aufragendem Bug scheint sich das Chilehaus seinen Weg durch die Fluten der Hamburger Kontorhäuser zu bahnen. So berühmt ist diese Ikone des Expressionismus, dass die anderen Arbeiten des Architekten Fritz Höger (1877–1949) in den Hintergund getreten sind: das monumentale Rathaus in Rüstringenbei Wilhelmshaven (1927/29) oder das Gebäude des „Hannoverschen Anzeigers“ (1927/28), das sich wie die Parfumfabrik Scherk in Berlin (1926/27) mit heftigem, expressionistischem Dekor schmückt.

Eine Ausstellung im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe (bis 16. November, Katalog im Dölling und Galitz Verlag, 29,80 €, nach der Ausstellung 49,80 €) widmet sich ausführlich den Arbeiten Högers. Dabei konnte Kuratorin Claudia Turtenwald auf unveröffentlichtes Material aus dem Hamburger Staatsarchiv zurückgreifen. Ihr neuer Werkkatalog verzeichnet nun fast doppelt so viele Nummern wie der letzte aus den Neunzigerjahren. Rund 400 Glasnegative aus Högers Nachlass bilden zusammen mit originalen Plänen und neuen Modellen das Leitmotiv der nach Werkgruppen gegliederten Ausstellung. Höger hat nicht nur expressiv gebaut; er bediente sich auch einer sachlicheren Architektursprache, etwa bei der Konsumzentrale in Leipzig (1929/32) oder der Kirche am Berliner Hohenzollernplatz (1928/33). Gleichwohl ist er nie wirklich in der Moderne angekommen. Ihm ging es in erster Linie um monumentale, bildhafte Wirkung. So eindrucksvoll wie mit dem Chilehaus vermochte er dieses Anliegen freilich nicht noch einmal umzusetzen.

Jürgen Tietz

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