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Der Berliner Rapper Pashanim.

© Paul Fanger

Der Berliner Rapper Pashanim: Kurze Lieder über das Leben in Kreuzberg 61

Zwei Sommerhits, ein Hype und ein neues Mixtape. Der Berliner Rapper Pashanim hat gerade einen Lauf. Ein Treffen in seinem Studio.

| Update:

Muttertag im Metropol am Nollendorfplatz. Die ersten Takte erklingen und sofort fangen die jungen Konzertbesucher:innen an zu springen. Pashanim muss an diesem Abend nicht viel machen, um die Menge zu begeistern, denn sie hat lange auf einen Auftritt von ihm gewartet.

Während die Bühnen pandemiebedingt verwaisten, erlebte der Kreuzberger mit einigen Singles seinen Durchbruch, erreichte hohe Streamingzahlen und Chartpositionen. Pashanim spielt an diesem Abend alle Hits seiner überschaubaren Diskografie mehrmals, richtet „Liebe Grüße an alle Mütter und Großmütter“ aus – und sagt sonst fast nichts.

Pashanim ist ein Phantom im Deutsch-Rap. Er hat noch nie ein Interview gegeben und macht kaum Werbung für seine Musik. Auch sonst scheint er sich nur bedingt den Mechanismen der Musik-Industrie zu unterwerfen. Nur sehr spärlich veröffentlicht er seine Songs, immerhin ist mit „Himmel über Berlin“ – eine Anspielung auf Wim Wenders’ Film von 1987 – kürzlich ein erstes längeres Mixtape erschienen.

Entsprechend überraschend kommt die Zusage für ein Treffen. Nach einem kurzen Telefonat lädt Pashanim, der bürgerlich Can Bayram heißt und 2000 geboren wurde, zu einer Tour durch sein Berlin und einer Listening Session im Studio. Sein Ansatz, bisher eher die Musik sprechen zu lassen, hat dem Hype um seine Person nicht geschadet. Fans trugen den Videodrehort seines Songs „Shababs botten“, bei Google Maps als „Shababs Botten Haus“ (4,8 von 5 Sternen bei 49 Rezensionen) ein. „Kinder machen Klassenfahrt und wollen mich am Block sehen“, rappte er vor knapp zwei Jahren und erzählt jetzt beim Spaziergang durch Kreuzberg, dass nach den ersten Musikvideos plötzlich Kinder an den Drehorten auf ihn warteten.

Angekommen im Studio ist Can Bayram sichtlich aufgeregt, die neuen Songs zu präsentieren. Während es bei Wim Wenders’ Film eine Weile dauert, bis die Handlung Fahrt aufnimmt, zögert Pashanim bei seinem „Himmel über Berlin“ nicht lange. Der erste Track „2019 (justbars rmx)“ beginnt mit Sirenengeräuschen und zeigt, wie gut Pashanim druckvollen, harten Rap beherrscht, was angesichts der melodisch-melancholischen Hits schon mal in Vergessenheit geraten konnte.

Ungefähr zehn Sekunden hält es Pashanim auf dem breiten Studiosessel aus, bis er aufspringt und mit einem Freund mitrappt. „Ein Song muss mir und meinen Freunden so gut gefallen, dass wir ihn hundertmal hören wollen und wenn wir ihn selbst nicht mehr hören können, dann bringe ich ihn raus“, sagt er.

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Auf „2019 (justbars rmx)“ blickt er auf seinen Karriere-Blitzstart mir Songs wie „Shababs botten“ und „Hauseingang“ zurück, wenn er rappt: „Fühl mich wie Pashanim 2019, kurz ein Joint drehen, danach Gold gehen“.  Der Spagat zwischen melodischen Ohrwurm-Songs, eher düsterere Straßenrap-Ästhetik, gefühlvollen Zeilen und hochtrabender Romantik ist charakteristisch für seine Musik.

Die neun Stücke auf „Himmel über Berlin“ spiegeln diese Vielseitigkeit, zu der auch die acht unterschiedlichen Produzenten beitragen. Während „Doppel G“ mit einer extrem eingängigen Hook zu New Wave-Gitarrenklängen sofort ins Ohr geht, möchte man „BMW“ gerne nachts auf einer Fahrt durch Berlin hören. Das Tape sei wie eine Zusammenfassung seiner letzten Monate, erklärt Can Bayram. Auf „Milano“ und „Marseille“ beschreibt er die Höhen und Tiefen einer Liebesbeziehung: „Du und ich im fünften Stock im Milano Grand Hotel und wir wollten nur kurz reden und dann wird es wieder hell“.

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Das Video zu „Tourlife.mp3“ verbreitet Klassenfahrt-Stimmung und gute Laune doch auch hier schwingt in der Hook eine gehörige Portion Melancholie mit: „Ja, mein Herz ist schwer, rauch’ mehr, trink’ mehr und mach’s wieder leicht“. Pashanim sagt, dass es ihn immer etwas Überwindung kostet über Gefühle zu schreiben. „Ich bin zwar kein trauriger Mensch, aber ich kann aus traurigen Momenten viel schöpfen“, sagt er. Seine Lieder sind alle sehr kurz, auf dem Mixtape liegt die Spieldauer zwischen 1.37 und 2.35 Minuten. Dies habe nichts mit den Mechanismen der Streamingwelt zu tun, sondern liege einfach daran, dass er sich nicht länger konzentrieren könne, erklärt er lachend.

Wie der Titel schon andeutet, ist das Mixtape voller popkultureller Referenzen. Häufig beziehen sie sich auf Zeiten, für die Can und seine Freund:innen eigentlich zu jung sind. „Ich habe schon immer eher Zeit mit Älteren verbracht“, diese begannen irgendwann zu rappen „und dann habe ich mit elf auch einfach angefangen Texte zu schreiben“, erinnert er sich. Was die Älteren Anfang der 2000er sagten, welche Filme sie mochten, welche Klamotten sie trugen, dient ihm immer noch als Inspiration, sagt er.

Mit dem Schreiben verarbeitet er seine Erlebnisse und Eindrücke. Er erzählt, wie er einmal ein Schul-Referat über den NSU halten musste und daraufhin einen Song schrieb, in dem er die Täter beleidigte.

Seinen kommerziellen Durchbruch erlebte Pashanim mit „Airwaves“. Der Song erschien im Frühling 2020. Die Sonne schien, die Corona-Zahlen sanken das erste Mal merklich und Pashanim lieferte dazu den passenden Soundtrack. Zum Beat des österreichischen Produzenten Stickle rappt er über das Rumhängen auf den Straßen von Kreuzberg 61, Fußballtrikots und Kaugummi in der Hosentasche. Der Song erreichte Platinstatus und steht bei Spotify bei 140 Millionen Streams.

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Danach wurde es erstmal wieder still. Erst Ende 2020 erschien ein Mixtape, das drei skizzenartige Songs mit einer Gesamtspiellänge von knapp vier Minuten enthielt. Prompt machten Gerüchte die Runde. Er werde von Großfamilien erpresst und könne deshalb keine Musik mehr veröffentlichen. „Es gab aber nie eine Erpressung“, sagt Pashanim. Die Pause hatte andere Gründe: „Es gab einfach eine Zeit, in der ich sehr lange gebraucht habe, um etwas zu schaffen, dass mir so gut gefällt, dass ich es unbedingt herausbringen möchte“, erklärt er.

Seine Antwort auf die Gerüchte gab er in einem Song: „Sie hat gehört, ich werd’ erpresst, und sie fragt mich, ob es stimmt. Aber Baby, ich bin good, glaub mir, das ist alles Taf’“, heißt es auf der Single „Sommergewitter“, die rund ein Jahr nach „Airwaves“ erschien. Statt des arabischen Wortes Tafnis für Lüge hörten viele allerdings „taff“, also schwer.

Auch „Sommergewitter“ erschien ohne Ankündigung, ging in den Charts auf die Eins und löste „Airwaves“ als unangefochtenen Sommerhit des Jahres ab. Auf TikTok wurde es zum Trend, Pashanim angesichts des damaligen bundesweiten Wetterumschwungs meteorologische Fähigkeiten zu zuschreiben.

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Durch den Hype um seine Musik hat Pashanim gewisse Privilegien innerhalb der Musikindustrie. Er habe nur selten Kontakt mit seinem Label, mit dem er keinerlei Vereinbarungen über die Menge an Veröffentlichungen hat. Einfluss auf seine Tracks habe es auch nicht – das ist ihm wichtig zu betonen. Statt in einer langen Promophase, kündigt Pashanim die Veröffentlichung seines neuen Mixtapes wenige Stunden vor Erscheinen in einer Instagram-Story an.

Pashanims Covermotive sind keine Hochglanz-Fotos, sondern Bilder von seinen Freund:innen. „Ein Cover muss zum Song passen und oft trifft das ein Foto, dass ich auf dem Handy habe, besser als ein professionelles Fotoshooting“. Dieser DIY-Ansatz ist auch auf „Himmel über Berlin“ zu spüren. Zum Zeitpunkt des Treffens, kurz vor Veröffentlichung des Tapes, sind manche Tracks noch Fragmente, sodass er bei diesen die Instrumentals im Studio herunterdreht und die Parts vorrappt.

An dem Film von Wenders haben ihn die Schwarz-Weiß-Ästhetik bewegt und die langsame aber eindringliche Art zu erzählen, sagt Can Bayram. Auch die Grundidee, die Gedanken der Menschen hören zu können, hat ihn angesprochen. Von seinen eigenen Gedanken für die Zukunft verrät er auch noch einige. So will er nicht für immer rappen. „Im Idealfall wird das Ende nicht durch Erfolg bestimmt sein, sondern dadurch, dass man sagt, das hat Spaß gemacht, aber jetzt ist es vorbei“. Und dann? „Dann will ich Filme machen“, sagt er auf einem Balkon am Mehringdamm mit Blick in den Himmel über Berlin.

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