zum Hauptinhalt

Kultur: Der Blues von Bartok

ALL THAT JAZZ Christian Broecking über einen Pianisten als Hoffnung für 2003 Hinter der dunklen Brille ist keine Maske in Sicht. Was Archie Shepp immer wieder vorführte, den Aufstand des zornigen USSchwarzen in die europäische Perspektive gerückt, ist für Jason Moran kein Ding.

ALL THAT JAZZ

Christian Broecking über

einen Pianisten als Hoffnung für 2003

Hinter der dunklen Brille ist keine Maske in Sicht. Was Archie Shepp immer wieder vorführte, den Aufstand des zornigen USSchwarzen in die europäische Perspektive gerückt, ist für Jason Moran kein Ding. Obwohl schwarzer Nationalismus und afroamerikansche Politik durchaus mal für einige der Musiker ein Thema waren, die Jason Moran als seine Commmunity bezeichnet. Besonders die Protagonisten des afroamerikanischen Musikerkollektivs M-Base, Steve Coleman und Greg Osby, gerieten – wenn auch nicht ganz freiwillig – als Sprecher einer eigentlich sehr uneinheitlichen Szene in den Tumult, den Wynton Marsalis einst provozierte. Das begann in den Achtzigerjahren und dauerte in den Neunzigern noch fort.

Schwarze Wut, weiße Angst

Aber irgendwie ist es dann ruhig geworden um die Musik eines Steve Coleman, melodiearm und sich ständig reproduzierend lahmen die komplexen Rhythmusstrukturen durch die Jazz-Moderne, zuletzt erschienen beim französischen Label Bleu. Wenn Moran heute sagt, er sei nicht retro und nicht Avantgarde, signalisiert das zunächst einmal, er will keinen Streit. Der Aufsteiger des vergangenen Jazzjahres ist 27, wohnt in einer 8-Raum-Wohnung in Harlem, beim Berliner JazzFest war er die Entdeckung, die „New York Times“ machte gerade eine Riesenstory über ihn. Bandwagon heißt sein Trio mit Tarus Mateen, Bass, und Nasheet Waits, Schlagzeug. Jason Moran spielt Klavier. Seine vierte CD unter eigenem Namen, ein Solo-Album mit dem Titel „Modernistic“, ist gerade bei Blue Note erschienen. Der Pianist Jaki Byard war 71 und ohne Plattenvertrag, als Moran sein Schüler wurde. Sein großer Rat war, alles auszuprobieren und zu nutzen, was verfügbar ist. Bei Byard ging es um verschiedene Anschlagskulturen auf dem Klavier, doch für Moran hieß das auch, sich tonnenweise MP3-Files aus dem Internet runterzuladen, um zu wissen, was läuft. Jazzmusiker wie er verdienen mit CDs eh kein Geld, sagt Moran, also habe er auch nicht das Gefühl, beklaut zu werden, wenn man seine Musik von www.jasonmoran.com herunterlädt. Nicht der Download sei der Ruin, sondern allein der Mangel an Vision.

Bei Anruf Wort

Als die portablen MiniDisc-Recorder in den USA noch nicht auf dem Markt waren, ließ sich Moran einen aus Japan mitbringen. Seitdem nimmt er jedes Konzert auf MD auf. Die Greg-Osby-CD „Banned In New York“ entstand so, als simple MD-Dokumentation eines New Yorker Club-Gigs. In seinen aktuellen Bandwagon-Konzerten gibt es ein Stück, für das Moran ein Telefongespräch einer Frau mit ihrer Mutter in türkischer Sprache mitgeschnitten und mit Hilfe einer speziellen Software transkribiert hat. Nicht die Technologie zerstört die Musik, so Moran, sondern die Menschen, die nichts damit anzufangen wissen. Als Intro zu seinem Konzert kommt ein Sample aus dem Off: Bela Bartok, Delta Blues, Elijah Muhammad und vom Rapper Cormega, der ein Wort wiederholt, „Bandwagon, Bandwagon, Bandwagon“. Am Dienstag um 22 Uhr im A-Trane .

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false