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Kultur: Der Europäer

Als sich seit den späten sechziger Jahren immer mehr Regisseure mit der morbiden Faszination des Nationalsozialismus auseinandersetzten, war Dirk Bogarde gleich zweimal mit von der Partie.In Luchino Viscontis Familiensaga "Die Verdammten" (1969) und vor allem in Liliana Cavanis Politporno "Der Nachtportier" (1974) sorgte der zunehmend freudlose, resignierte Gesichtsausdruck Bogardes für die erwünschte Atmosphäre.

Als sich seit den späten sechziger Jahren immer mehr Regisseure mit der morbiden Faszination des Nationalsozialismus auseinandersetzten, war Dirk Bogarde gleich zweimal mit von der Partie.In Luchino Viscontis Familiensaga "Die Verdammten" (1969) und vor allem in Liliana Cavanis Politporno "Der Nachtportier" (1974) sorgte der zunehmend freudlose, resignierte Gesichtsausdruck Bogardes für die erwünschte Atmosphäre.Er war der Inbegriff des kultivierten,zurückhaltenden, kränklichen, still vor sich hin leidenden Europäers.Kein anderer Darsteller kam für den Part des Gustav von Aschenbach in Frage, als Visconti sich 1971 an Thomas Manns Novelle "Tod in Venedig" wagte.Der Film wurde als kongeniale Umsetzung der literarischen Vorlage gefeiert.Doch der Schauspieler muß gespürt haben, wie einseitig ihn die Regisseure besetzten, und nach einem weiteren Leidensmann in Rainer Werner Fassbinders Nabokov-Adaption "Eine Reise ins Licht - Despair" (1978) zog er sich aus dem Filmgeschäft zurück, um sich aufs Romaneschreiben zu konzentrieren - höchst erfolgreich im übrigen.

Man mag es kaum glauben, daß er seine Karriere mit Komödien begonnen hatte.Dabei war er als junger Soldat 1945 bei der Befreiung des Konzentrationslagers Bergen-Belsen dabeigewesen, was er in seiner Autobiographie als das prägendste Erlebnis seines Lebens beschrieb.Ohne je am Theater gespielt zu haben, wurde er nach dem Krieg zum Leinwandstar.Filme wie "Aber, Herr Doktor" (1954) und "Doktor Ahoi!" (1955) verschafften ihm ungeheure Popularität.Daneben spezialisierte er sich auf romantische Liebhaber in Historienfilmen.Sein Hollywood-Debüt gab er als Franz Liszt in "Nur wenige sind auserwählt" (1960).Er schien kaum mehr als ein konventioneller Liebhaberdarsteller zu sein, als er sich 1961 an ein heißes Eisen wagte: In Basil Deardens "Der Teufelskreis" spielte er einen bisexuellen Anwalt, der sich für erpreßbare Homosexuelle einsetzt.Das war einer der mutigsten Filme seiner Zeit, und Bogarde riskierte das Ende seiner Karriere.Stattdessen erhielt er bessere Rollen und profitierte vom Bedürfnis des Publikums nach reiferen Themen.

Für einen Oskar ist er nie nominiert worden, dazu waren seine Darstellungen wohl zu introvertiert.Bogarde war ein zuverlässiger Schauspieler von unaufdringlicher Könnerschaft - so unaufdringlich, daß sein Leinwand-Comeback mit Bertrand Taverniers "Daddy Nostalgie" (1990) kaum als solches wahrgenommen wurde.Die Queen hat ihn 1992 zum Ritter geschlagen.Wie seine Familie bekanntgab, ist Dirk Bogarde am vergangenen Sonnabend in London 78jährig an einem Herzinfarkt gestorben.

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