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Klaus Hartung: Der Ich-Auch-Walzer - die Medien tanzen mit

Der Publizist Klaus Hartung über die öffentlichen Irrwege der Gedanken in Krisenzeiten - und die üblichen antikapitalistischen Reflexe.

In den Zeiten der großen Krise irren nicht nur Menschen umher, sondern auch Gedanken. Das gilt vor allem auch für die öffentlichen Äußerungen. Es fällt immer schwer zu begreifen, dass die Normalität ebenso unwiderruflich abhanden kam, wie das Geld, das ihr zu Grunde lag, verbrannt ist. So spielt man denn stur Normalität. Ein Gegenzauber: Meine normalen Reflexe garantieren meine Normalität. Derart haben einst reiche Damen der Gesellschaft auf der Titanic sich geweigert, ins Rettungsboot zu steigen, und damit Zeit und Menschenleben verspielt. Sie wollten einfach nicht hinnehmen, dass die sichere warme Hülle ihrer Normalität dahin ist.

So verstehen unsere politischen Akteure – ganz normal – das 500-Milliarden-Abwehr-Garantie-Paket als gigantische Transferleistung des Staates an die Banken und fühlen sich zum allzu normalen Ich-auch-Spiel der sozialen Gerechtigkeit aufgerufen. Wenn der Staat dafür Geld hat, sollten doch ein paar hundert Millionen für die wahrhaft Bedürftigen drin sein. So fordern die katholischen Bischöfe 300 Euro Kindergeld. Macht ja nur 30 Millionen aus, Peanuts, verglichen mit jenen Milliarden. Gerade in diesen Zeiten müsse die Familie gestärkt werden. So fordert Oskar Lafontaine, der Hohepriester des unbegrenzten Transfers, die Erhöhung der Hartz-IV-Beiträge. Gerade jetzt müsse die Kaufkraft gestützt werden, um das Wirtschaftswachstum zu fördern. So sieht IG-Metall-Chef Huber „derzeit keine Krise“, in seiner Branche. Mag die Finanzwelt am Abgrund stehen, in meiner Branche geht’s uns ja noch Gold.

Die Beamtenlaufbahn ist moralisch sauber

Und so dreht sich der Ich-auch-Walzer immer schneller, und die Medien tanzen mit. Kein Finanzminister, kein Banker, kein Wirtschaftswissenschaftler, der nicht unentwegt gefragt wird, ob er denn nicht verstehe, dass die Leute nicht verstehen, dass für die elementarsten sozialen Bedürfnisse angeblich kein Geld da ist, aber für die Banken Milliarden. Kein Gedanke, dass es vielleicht zur Aufklärungspflicht gehören könnte, den Unterschied zwischen einer Staatsgarantie und tatsächlichen Transferleistungen deutlich zu machen. Im Gegenteil, alle unsere gewohnten antikapitalistischen Reflexe können ausgelebt werden, wonach Profitstreben verwerflich ist, aber die für die Beamtenlaufbahn eingesetzten Energien moralisch sauber sind. Nieder mit dem Casinokapitalismus; es lebe die Transfergesellschaft, die es raus hat, ihre Schulden zu den Kindeskindern zu transferieren. Aber selbstverständlich erwarten alle, dass das Profitstreben (bei gekürzten Gehältern) uns aus der Rezession rauszieht.

Alle altbekannten Stimmen memorieren Altbekanntes im immergleichen Ich-auch-Reigen, nur etwas schriller. Aber wo war die vertraute Stimme von Olaf Scholz, von der „Zeit“ einst „Scholzo-mat“ genannt? Kein Ton von Olaf, dem Wahlkampfminister, dessen Existenz sich beständig um das sozialdemokratische „Alleinstellungsmerkmal“, um den Mindestlohn dreht? Aber nun hat er doch geredet und gefordert. Ja, was? Den Mindestlohn! Gerade jetzt sei die Einführung des Mindestlohns das Signal für Stabilität. Börsianer der Welt, keine Panik, schaut auf unseren Sozialstaat! Wichtig ist unser Weltbild angesichts der Weltwirtschaftskrise. Darauf stehen wir ja schließlich. Nein, ich steige nicht (gleich) in die Rettungsboote, wo ist mein Pelz, wo ist mein Mindestlohn? Wenn wir uns retten, dann nur mit unserer Normalität! Sie hat sich ja schließlich bewährt, sagt Scholz.

Welcher Untergang auch immer droht, wir Deutsche können allemal Recht behalten.

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