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Kultur: Der Maler feiert heute seinen 75. Geburtstag

Aus dem Jahr 1977 stammt ein Schlüsselbild von Bernhard Heisig: "Beharrlichkeit des Vergessens". Es zeigt die deutsche Geschichte als wüstes Schlachtfeld mit einem Invaliden als Zentralfigur, der seinen Orden wie eine Trophäe schwenkt, daneben ein Narr mit Schellenkappe, zwei Liebespaare.

Aus dem Jahr 1977 stammt ein Schlüsselbild von Bernhard Heisig: "Beharrlichkeit des Vergessens". Es zeigt die deutsche Geschichte als wüstes Schlachtfeld mit einem Invaliden als Zentralfigur, der seinen Orden wie eine Trophäe schwenkt, daneben ein Narr mit Schellenkappe, zwei Liebespaare. Die Uhr im Hintergrund zeigt 5 nach 12 an, über der Szene spannt sich ein Transparent: "Wir sind doch alle Brüder und Schwestern". Heisig läßt die Verführten wie Verführer agieren. Er selbst - Opfer und Täter zugleich - ist zutiefst in seine Bilder verstrickt, mischt sich bezeugend, beschwörend, kommentierend ein. Der Künstler betreibt mit seinen Bildern Tiefenpsychologie, .

Denn als 16-Jähriger hatte sich Heisig für den Kriegsdienst gemeldet, kam zur Waffen-SS, nahm an der Ardennenschlacht teil und kehrte als Kriegsinvalide zurück. Diese Erfahrung ließ ihn zum Marxisten werden, wenn er auch wegen seiner Geschichtsskepsis mit der Partei immer wieder in Konflikt geriet. Mal wurde er als Rektor der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst abgelöst, später wieder zurückgeholt. Umso erfolgreicher wirkte Heisig als Lehrer: Aus seiner Klasse gingen so namhafte Künstler wie Hartwig Ebersbach, Hubertus Giebe, Walter Libuda, Werner Liebmann oder Trak Wendisch hervor. Als der Porträtist von Bundeskanzler Schmidt nach der Wende jedoch als "Staatsmaler" diffamiert wurde, zog er sich zurück, um seine politischen Welttheater zu malen.

Noch einmal flammten die alten Vorwürfe um seine Person im Rahmen der Auseinandersetzung über die Kunst im Reichstag auf, denn auch Heisig war als Teilnehmer eingeladen. Am Ende blieb es bei seinem Bild in der Cafeteria des Bundestages, in dem er bewährt leitmotivische Bildsignale, disparate visuelle Fragmente zu einem Puzzle zusammengesetzt. Die Elemente fügen sich bei ihm stets zu wildbewegten Panoramen. Ganze Konglomerate von Bedeutungsträgern türmen sich zum Schrotthaufen der Geschichte auf. Figuren und Gegenstände unterschiedlicher Wirklichkeitsebenen, aus Mythologie und Religion, aus Menschheits- und Künstlerträumen begegnen sich im Bildraum: Das können Ikarus, Christus, Faust, Gulliver, der Zauberlehrling und die Seeräuberjenny sein oder Friedrich II. und Hänschen klein, Bischöfe, Communarden, Kriegskrüppel, Prostituierte, Selbstmörder, seine Mutter gar und immer wieder er selbst. Die Kulisee bilden der Turmbau zu Babel, die Arche Noah, das Narrenschiff, die brennende Heimatstadt Breslau; als Requisiten dienen Trompete, Lautsprechersäule, Fernsehgeräte, Gewehrläufe und Stahlhelme. Die Kunst kann gewiss keine Kriege verhindern, so Heisig, aber man kann eine Hand so zeichnen, dass die Menschen in ihrer Destruktionslust zumindest zögern: "Die sollte man nicht zerstören!"Anläßlich des Geburtstages zeigt die Galerie Berlin, Oranienburger Str. 27, unter dem Titel "Eine Malerfamilie" Bilder von Heisig und seinen Angehörigen.

Klaus Hammer

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