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Kultur: Der Mann mit der Gitarre

Skulpturen von Joachim Schmettau in der Galerie Eva Poll

So spielerisch gibt sich selbst Joachim Schmettau, der Schöpfer des als „Wasserklops“ bekannten Weltkugelbrunnens am Berliner Breitscheidtplatz, selten. Der Bildhauer macht den Ausstellungsraum der Galerie Poll zur Bühne – die Aufführung ist konzertant. Hauptrollen unter den 22 Akteuren übernehmen drei lebensgroße Skulpturen von Musikern. Dem Trio mit Klarinette, Maultrommel und Gitarre (zusammen 100 000 Euro) hat Walter Stein eigens die passende Musik auf den Gipsleib geschrieben. Der Sohn des früheren Berliner Kultursenators Werner Stein komponierte für den 1937 in Bad Doberan geborenen Schmettau, der seit 1945 in Berlin lebt, einen Mix aus melodiösen Instrumentalklängen mit Straßen- und Alltagsgeräuschen.

Schmettaus Gestalten wenden sich frontal dem Betrachter zu. Archaisch wie Götterstatuen zitieren sie ein klassisches Vokabular von der Antike über die Renaissance bis zum Klassizismus. Selbst Elemente aus dem Manierismus und dem Art Deco lässt Schmettau einfließen. Wie Tattoos zieren kleine Zeichen, Zeichnungen, emblematische Reliefbildchen die kalkweiße oder dunkelbronzene Haut der zweiundzwanzig Gestalten aus den Jahren 1995 bis 2001 (Gipsstatuen 22 000 bis 40 000 Euro, Bronzen 16 400 bis 31 000 Euro). Stets aber treten sie uns als Zeitgenossen entgegen.

Ihr vom Surrealen bis zum Trivialen gewendeter Witz steckt im Detail: Mal muss ein Stück Schlauch für einen skelettierten Teil des Arms herhalten, mal sorgt eine Plexiglasplatte mit eingeschlossener Collage beim Brustkorb für anatomisch eigenwilligen Durchblick. Der Mann mit Gitarre hat Notenschrift auf den Augen, an der Hand des Klarinettisten verwächst ein Finger mit seinem Instrument und geht in den Reliefabguss der Klarinetten-Tastatur über. Vor der Combo steht „Der Sänger“ auf kurzen, knallrot bemalten Beinen. Eine bemalte Zellophantüte dient als Kopf. Um die Akteure des absurden Konzerts gruppieren sich im Halbkreis weitere Statuen als Zuschauer.

Schmettaus Skulpturen übernehmen Rollen in einem Stück, das zugleich Elemente alltäglicher Komödie, klassischer Tragödie und einer futuristisch anmutenden Farce enthält. Der Bildhauer hält uns mit seinen verfremdeten Menschenbildern nicht ohne ironisches Augenzwinkern einen Zeit- und Zerrspiegel vor. Dabei erlaubt er sich manch’ neckische Spielerei. Dem Schriftsteller steht seine Profession etwa schon auf der Stirn geschrieben: Textzeilen überziehen sein Gesicht. Der „Bildhauer beim Messen“ muss ausgerechnet ohne Arme auskommen. Die Hände liegen getrennt von der Gestalt auf einem Sockel. Einem „Fotografen“ montiert Schmettau die Kamera gleich mitten ins Gesicht. Das Ergebnis gleicht einer humorig ins Dreidimensionale übersetzten Hommage an den Fotografen „Umbo“ und seine bekannte Bildmontage des rasenden Reporters mit Kamerakopf. Anderen Figuren hat Schmettau Brustkorb oder Unterleib aushöhlt, um darin ein Figurenpaar in eindeutiger Stellung oder gar ein rotleuchtendes Fahrradblinklicht als pochendes Herzstück zu implantieren. Mit derartigen Attributen und bisweilen kuriosen Applikationen verfremdet Schmettau sein facettenreich dekliniertes, klassisches Skulpturen-Repertoire und bürstet die Standards der Plastik gekonnt gegen den Strich.

Galerie Eva Poll, Lützowplatz 7, bis 25. Januar; Montag 10-13 Uhr, Dienstag bis Freitag 11-18.30 Uhr, Sonnabend 11-15 Uhr.

Elfi Kreis

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