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Kultur: Der Meister hört nicht zu

„The Compagny“: Robert Altman porträtiert das Leben einer Ballett-Truppe

Jazz-Dance in den Achtzigern, Tango und Hip-Hop in den Neunzigern; „Flashdance“, „Dirty Dancing“, „Strictly Ballroom“, „The Tango Lesson“ – Tanzen ist angesagt, nicht nur als sportliche, sondern auch als erotisch aufgeladene Freizeitbeschäftigung, und wer sich selbst nicht traut, guckt anderen im Kino dabei zu. Robert Altman hat sich mit seinem neuen, halb-dokumentarischen Film „The Company – Das Ensemble“ nun dem Ballett gewidmet, und man fragt sich, warum er es nicht schon früher getan hat. Wieder einmal, wie in „Nashville“ (1974), „The Player“ (1992) oder „Prêt-à-porter“ (1994) lässt uns Altman hinter die Kulissen des Showbusiness blicken, wo er dieses Mal jedoch weder private Dramen noch professionelle Intrigen inszeniert, sondern harte Arbeit und an Grausamkeit grenzende Disziplin. Dass seine Darsteller die Tänzerinnen und Tänzer des Chicago Joffrey Ballett sind, verleiht seiner inszenierten Arbeits- und Liebesbiografie des neu entdeckten Talents Ry Authentizität – es scheint, dass Altman nicht genug davon bekommen konnte, bei den Proben zuzusehen und sich mit der strengen Hierarchie im Ensemble zu beschäftigen.

So herrscht um Mr. A, den autoritären Chef der Company (von Malcolm McDowell realen Vorbildern nachempfunden), ein Klima permanenter Beflissenheit, während er mit einer Handbewegung über eine Karriere entscheidet, nach fünf Minuten Proben demonstrativ den Raum verlässt oder Diskussionen abrupt unterbricht. Und die angespannten, mitunter verbissenen Gesichtszüge der Tänzer scheinen mit ihren nach unten strebenden Linien die Leichtigkeit und Schwerelosigkeit ihrer Körper zu konterkarieren.

Altman ist, wie immer, ein genauer Beobachter sozialer Gefüge, und mehr als einmal stellt er implizit die Frage, ob physische Strapazen, Diäten, Selbsterniedrigung, Verzicht auf Privatleben adäquat belohnt werden. Und mehrmals beantwortet er diese Frage eindeutig mit Ja. Denn die Höhepunkte seines Films sind die spektakulären Aufführungen, die der bereits für „Gosford Park“ verantwortliche Kameramann Andrew Dunn in rauschhafte Sequenzen aus Farbe und Licht verwandelt hat. Vergessen sind die Enge in den Umkleidekabinen, die nicht enden wollenden Proben, die Unduldsamkeit der Lehrer, die Enttäuschungen, Entbehrungen, Erniedrigungen – auch bei denen, die nicht mittanzen dürfen.

Voller Neugier und Sympathie hat sich Altman dem Ballett zugewandt, Exzess und Obsession dieser Kunstform mit distanziertem Blick und den Mitteln eines anderen künstlerischen Mediums sichtbar gemacht. Dass ihm dies gelingen konnte, ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass Altman in diesem Fall als Auftragsregisseur der Schauspielerin („Scream“) und Tänzerin Neve Campbell fungierte, eine der Hauptdarstellerinnen und Ko-Produzentinnen des Films, die es geschafft hat, den Meister für ihr Projekt zu interessieren. Campbell selbst, die sich mit einer von mehreren gleichberechtigten Ensemblerollen zufrieden gab, hat bewiesen, dass sie ein gutes Gespür für den richtigen Regisseur hatte.

In Berlin in den Kinos Babylon (OmU), Cinema Paris, Hackesche Höfe, Kino in der Kulturbrauerei

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