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Der Mensch hinter der Maschine: Kraftwerk-Gründe Florian Schneider.

© Daniele Delledonne/Wikipedia Commons

Nachruf auf Florian Schneider von Kraftwerk: Der Mensch hinter der Maschine

Keine andere deutsche Band war weltweit so erfolgreich wie Kraftwerk. Jetzt ist ihr Gründer Florian Schneider gestorben.

Den Mensch durch die Maschine zu ersetzen oder, vielleicht noch besser: Mensch und Maschine zu kreuzen, das ist ein verwegener Traum, der schon lange geträumt wurde. In der Musik kam der Verwirklichung dieser Utopie keiner so nah wie die Düsseldorfer Band Kraftwerk. „Die Mensch-Maschine“ heißt programmatisch das Album, das sie 1977 veröffentlichen, im Jahr des vom RAF-Terror geprägten „Deutschen Herbst“.

Es enthält dem Computer abgewonnene, majestätisch kühl tackernde Elektrostücke. Bei aller Science-Fiction-Haftigkeit klingen sie ungemein melodiös, der Hit „Das Model“ eroberte den ersten Platz der britischen Charts. Und wenn Sänger Ralf Hütter verkündet: „Wir sind die Roboter“, liegt unter der Vocoder-Verzerrung seiner Stimme immer noch ein teutonisches Schnarren.

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Hütter ist bis heute das Gesicht und der Sprecher von Kraftwerk, aber noch wichtiger für den Gang in die Avantgarde war sein Kollege Florian Schneider, der jetzt im Alter von 73 Jahren an einer Krebserkrankung gestorben ist. „Florian Schneider: Albumkonzept“, heißt es in den Liner Notes der „Maschine“-Platte. Der Sohn des Architekten Paul Schneider-Esleben hatte an der Düsseldorfer Hochschule Querflöte studiert. Später entwickelte er eine elektronische Flöte, spielte Synthesizer, produzierte, entwarf Sounds, arbeitete an Effekten und den künstlichen Robovox-Stimmen. Seine Rolle ähnelt der von Brian Eno bei Roxy Music.

Wendepunkt der Popgeschichte

Schneider galt als verschlossen. Eines seiner raren Interviews gab er 1975, gemeinsam mit Hütter, dem legendären Rockjournalisten Lester Bangs. „Der gesamte Komplex, den wir nutzen – das Equipment und unser Hauptquartier in Düsseldorf – kann als eine Maschine betrachtet werden, obwohl sie in verschiedene Teile unterteilt ist.“ Ein Teil davon sind natürlich die Menschen.

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Auf das Stichwort des Reporters, Kraftwerk wirke „anti-emotional“, entgegnete der Musiker, Emotion sei ein „seltsames Wort“. Es gehe darum, den „reinen Klang“ zu erreichen. Damals hatte die Band es gerade mit ihrem Song „Autobahn“ in die amerikanische Hitparade geschafft. Sie wurden gefeiert, Bangs sah ein neues, elektronisches Zeitalter anbrechen und fühlte sich an eine andere deutsche Erfindung erinnert, die Droge Methamphetamin.

Hütter und Schneider gründeten ihre Gruppe 1968, zunächst hieß sie Organisation. Zu Kraftwerk gehörten einige Zeit der Gitarrist Michael Rother und der Schlagzeuger Klaus Dinger, sie und etliche andere Musiker gingen bald wieder, nur der Drummer Wolfgang Flür und der Keyboarder Karl Bartos blieben länger. Ihr Beitrag zur Musik blieb marginal, „Ralf und Florian“ (Titel einer Platte von 1973) waren dominant.

Im Museum angekommen

Auf dem Album „Autobahn“ war Schneiders Querflöte zum letzten Mal zu hören, danach entschlossen sich Schneider und Hütter, nur noch elektronische Musik zu veröffentlichen. Ein Wendepunkt der Popgeschichte. Weltweit ähnlich großen Einfluss wie Kraftwerk hatte keine andere deutsche Band. Die lebensgroßen Puppen, durch die sich die Musiker bei ihren Auftritten mehr und mehr ersetzen ließen, wurden ikonisch.

Besonders erfolgreich waren Kraftwerk in Großbritannien, wo sie ab 1975 Konzerte gaben. Ihre Musik erwies sich als viral, junge Menschen, die die Shows besuchten, gründeten daraufhin eigene Bands. Dazu gehören Human League, OMD und Depeche Mode. „Für jeden unserer Generation, der sich mit elektronischer Musik beschäftigt, waren Kraftwerk der Pate“, sagt Martin Gore von Depeche Mode.

Zuletzt sind Kraftwerk in Museen aufgetreten, sie gehören längst zum Weltkulturerbe. Schneider war nicht mehr dabei, er verließ die Gruppe 2009. Manchmal fuhr er in einem alten Militärjeep durch Düsseldorf.

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