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Kultur: Der Motor ist alles

Ein Mann stapft durch Regen und Novemberkälte, entlang der irischen Küste. Nimmt einen Schluck Whisky, kommt in eine Schlossruine.

Ein Mann stapft durch Regen und Novemberkälte, entlang der irischen Küste. Nimmt einen Schluck Whisky, kommt in eine Schlossruine. Entfacht Feuer, schaut hinaus aufs Meer. Der Mann findet, wonach er gesucht hat: den Beginn eines Romanes, die Idee zu seiner Hauptfigur. "Donner überm Meer" beginnt furios. Die Elemente brausen, die Natur schnauft wie eine riesige Maschine. Mittendrin der Ich-Erzähler. Auf der einen Ebene berichtet er von seinem Aufenthalt in Irland, der Rückreise nach Hamburg, dem Fortschreiben des Romans. Die zweite Ebene ist dieser Roman selbst. Sein Held: Fonck, ehemaliger Jagdflieger, einer, der mit Maschinen kann, nicht aber mit Menschen. Als Pilot pendelt er zwischen Küste und Hauptstadt. Als er dort auf Lala trifft, beginnt eine tragische Liebesgeschichte. Fonck ist zupackend, Lala zart, eine überreizte Großstädterin. Die Begegnung mit Fonck läutert Lala. Er verstößt sie, bereut es, doch ihr Tod verhindert ein Happy End.

"Donner überm Meer" erschien zum ersten Mal 1929 im S. Fischer Verlag. Hauser, damals 28, galt als einer der vielversprechenden Autoren der Weimarer Republik. Oskar Loerke schlug den ehemaligen Freikorpskämpfer für den Kleist-Preis vor. Stilistisch zwischen Spätexpressionismus und Neuer Sachlichkeit, mischte Hauser Elemente der Reisebeschreibung, des Essays, der Erzählung und bediente sich dabei fasziniert technisch-industrieller Phänomene. Benno Reifenberg nannte ihn einen "Augenmenschen", Kasimir Edschmid charakterisierte "Donner überm Meer" als "optischen Roman".

Ob bei der Schilderung eines Hunderennens, eines Schaltwerks oder Sonnenaufgangs, einer Bus- oder Schifffahrt: Hausers Erzählen reißt mit. Ständig in Bewegung, dicht und temporeich, cool und zugleich hitzig. Kraftvoll, mit scharfen Bildkonstruktionen, übersetzt Hauser seelische Empfindung in die Sprache des technischen Zeitalters. Hausers Held kann nicht in der Stadt und schon gar nicht bei einer Frau zuhause sein. Er sucht die Weite des Meeres, des Himmels, die Einsamkeit der Wälder. Geborgenheit findet er in der Männergemeinschaft, bei Fliegern oder Seeleuten. Hauser beschreibt das pathetisch und zugleich nüchtern, als Romantiker und Reporter. Zivilisationskritik und Maschinenbegeisterung sind ihm kein Widerspruch. Dabei ist der Gestus von Hausers Schreiben problematisch. Da werden Menschenbild und Weltsicht verklärt, die sich unschwer nationalsozialistischer Ideologie einfügen liessen. Für das Portät von Lalas Psychoanalytiker bediente sich Hauser eines antisemitischen Stereotyps. Politisch vereinnahmen liess sich der Einzelgänger allerdings nicht. "Ich habe in der Kolonne schon früher immer den falschen Tritt gehabt", schrieb Hauser, den man jetzt wiederentdecken kann, 1934. Vier Jahre später, 1938, ging er ins amerikanische Exil.

Carsten Hueck

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