zum Hauptinhalt
Der deutsche Schauspieler, Regisseur und Theaterintendant Peter Sodann (1. Juni 1936 bis 5. April 2024) in seiner Bibliothek.

© imago/Andreas Weihs, Bearbeitung: Tagesspiegel

Der mürrische Menschenfreund: Zum Tod des Schauspielers Peter Sodann

Solch eine Karriere in Ost und West wird es nicht mehr geben: Der als „Tatort“-Kommissar berühmt gewordene Peter Sodann ist im Alter von 87 Jahren gestorben.

Von Gregor Dotzauer

Noch 30 Jahre nach der Wende wollte er den Vergangenheitsvernichtern trotzen. „In den Bananenkisten des Westens schlummert das Wissen des Ostens“, hatte Peter Sodann zum Motto der nach ihm benannten Bibliothek in seinem Wohnort, dem sächsischen Staucha, ausgerufen.

Über 2,5 Millionen in der DDR erschienene und nach der Wende schlicht auf den Müll geworfene Bücher wollte er als Erbe seines untergegangenen Landes gewürdigt wissen – getreu der Mahnung, die ihm der große Dramatiker Heiner Müller hatte zukommen lassen: „Der Dialog mit den Toten darf nicht abreißen, bis sie herausgeben, was an Zukunft mit ihnen begraben ist.“

Er finanzierte sein Herzensprojekt zuletzt auch mit doppelten Exemplaren, die er in der Magdeburger Bücherkiste Peter Sodann verkaufte, einem Antiquariat mit Literaturcafé.

Dabei hätte der 1936 in Meißen geborene Schauspieler und Regisseur einige Gründe gehabt, sich von seinem sozialistischen Herkunftsstaat zu distanzieren. Nach einer Ausbildung zum Werkzeugmacher holte er das Abitur nach und studierte eine Weile Jura, bevor er an der Theaterhochschule Leipzig seine wahre Berufung entdeckte. Mit seinem Studentenkabarett „Rat der Spötter“ verging er sich allerdings schnell gegen den politischen Konsens und erfuhr die ganze Härte des Regimes: Er geriet in Untersuchungshaft, wurde aus der SED ausgeschlossen und zu zehn Jahren Haft verurteilt, die allerdings nach zehn Monaten in eine Bewährungsstrafe umgewandelt wurden.

Er ließ sich nicht abschrecken, trat 1964 sein erstes Engagement am Berliner Ensemble an und fand über Karl-Marx-Stadt nach Magdeburg, wo er 1975 Schauspieldirektor wurde. Seine langjährige Heimat wurde dann aber Halle, wohin er in derselben Position zunächst ans Landestheater ging und dann zum Intendanten des „neuen theaters“ wurde, dem Zentrum einer „Kulturinsel“, die er ab 1981 mit dem gesamten Ensemble auf den Weg brachte – ein Puppentheater inklusive. Erst 2005 schied er dort aus – unglücklicherweise ein Jahr vor seinem 70. Geburtstag, den er dort noch gerne erlebt hätte.

Mit Norbert Blüm auf der Bühne

Parallel hatte er längst eine Karriere als Film- und Fernsehschaupieler begonnen – wobei man auch den Kabarettisten nicht unterschlagen darf, der in Norbert Blüm auf der Bühne sogar ein westliches Gegenüber fand. Bundesweit berühmt wurde er allerdings durch die Rolle des Kommissars Bruno Ehrlicher, der im Auftrag des MDR zusammen mit Bernd Michael Lade das erste ostdeutsche Ermittlerteam bildete.

Sie lösten insgesamt 45 Fälle, erst in Dresden, dann in Leipzig – mit einer Unterbrechung im Jahr 2009, als Sodann sich für Die Linke – natürlich erfolglos – als Bundespräsident ins Rennen stürzte. Sein 1973 geborener Sohn Franz führt die politische Tradition als Abgeordneter im Sächsischen Landtag und kulturpolitischer Sprecher der Linken fort.

In der Rolle des Bruno Ehrlicher war sicher manches von Peter Sodanns Wesen enthalten. Das mürrische Gesicht, das er so oft zur Schau trug, verbarg einen letztlich doch gutmütigen Charakter, und die trockene Ausdauer, mit der er undurchsichtigen Verhältnissen nachging, war der Modus, in dem sich seine unerwartete Schlauheit am besten entfaltete. Am vergangenen Freitag ist der Mann, der sowohl mit dem Nationalpreis der DDR wie dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde, in Halle, der Stadt, die ihm 2005 die Ehrenbürgerschaft verliehen hatte, mit 87 Jahren gestorben.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false