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Kultur: Der Reichstag im Gasometer

Endlich gibt es Gewißheit.Die große Reichstagsausstellung, die Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen den Christos noch während der Reichstagsverhüllung versprach, findet statt, nur: nicht in Berlin, und nicht im Gropiusbau, sondern in Oberhausen, und zwar in einem ausgedienten Gasometer.

Endlich gibt es Gewißheit.Die große Reichstagsausstellung, die Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen den Christos noch während der Reichstagsverhüllung versprach, findet statt, nur: nicht in Berlin, und nicht im Gropiusbau, sondern in Oberhausen, und zwar in einem ausgedienten Gasometer.Als Eröffnungstermin ist der 1.Mai 1999 vorgesehen.

Man erinnert sich: Ungefähr zur gleichen Zeit, als aus vielen Kehlen der Wunsch erscholl, die Verhüllung möge verlängert werden, schrieb Diepgen den Christos und bot eine Ausstellung an; gedacht war an den Gropiusbau.Berlin hatte gute Absichten, man wollte sich bei den Künstlern bedanken, daß sie der Stadt so viel Freude und Gäste brachten.

So trafen im Oktober 1996 in Berlin die Mannschaften der Christos mit denen der Senatskanzlei und der Senatsverwaltung für Kulturelle Angelegenheiten zusammen, um Details der Ausstellung zu besprechen.Vereinbart wurde die Zeit um Februar/März 1998, als Ort der Gropiusbau.Nur wenige Wochen später jedoch sickerte durch, daß die Bundesregierung den Gropiusbau für eine Ausstellung "Einigkeit und Recht und Freiheit" anläßlich des 50jährigen Jubiläums der Bundesrepublik Deutschland benötigt.Weil dieses Haus aber nicht über die besten Ausstellungsbedingungen verfügt - vor allem einer Klimaanlage entbehrt, was bei den vielen Leihgebern empfindlicher Kunstwerke immer Bauchschmerzen hervorruft - , müsse er mit solchen Einrichtungen ausgestattet werden, deren Kosten der Bund übernimmt.Daher bleibt der Bau 1998 geschlossen; 1999 folgt dann die große Ausstellung zur Gründung der Bundesrepublik, und für das Jahr 2000 ist eine Ausstellung zum Jahrhundertwechsel vorgesehen.Die Ausstellungen zur "Reichstagsverhüllung" und auch eine Wolf Vostell-Retrospektive wurden ins Jahr 2001 verschoben.

Da Eberhard Diepgen, trotz dieser Hindernisse, noch immer an seinem Versprechen festhalten wollte, ließ er nach anderen Ausstellungsorten fahnden; wie man jetzt weiß, ohne Erfolg.Man fragte bei der Akademie der Künste und bei der Neuen Nationalgalerie nach; auch von dort kamen - aus unterschiedlichen und nicht zu rechtfertigenden Gründen - Körbe, die der Senat sich so drehte: Beide Häuser seien Christo und Jeanne-Claude angeboten worden, nur diese selber hätten abgewinkt.Kaum jemand fragte bei all diesen Vorgängen, seit wann der Senat eigentlich über die Akademie der Künste und die Neue Nationalgalerie verfügt ...

Der Nachrichten über diese Berliner Winkelzüge müde, und da Warten ihre Sache nicht sei, akzeptierten die Christos das Angebot der Internationalen Bauausstellung Emscher-Park, ihre Kunst in Oberhausen zu zeigen.Warum zögern, wenn sich die Chance bietet, nicht nur das Reichstagsprojekt zu zeigen, sondern auch eine Ausstellung über die "Umbrellas" von Californien und Japan (1984-91), sowie ein spektakuläres neues Werk? Wie Christo-Sprecher Wolfgang Volz auf Anfrage erklärte, werden die Künstler in dem 110 m hohen Gasometer (Durchmesser: 68 Meter) 13 000 Ölfässer 26 Meter hoch stapeln.Das Unternehmen heißt: "The Wall - Projekt für Gasometer, Oberhausen".Man erinnert sich: 1962 blockierte das Künstlerpaar auf diese Weise die schmalste Gasse von Paris, die rue Visconti, mit rund 240 Ölfässern; ein künstlerischer Kommentar auf die Berliner Mauer - damals hieß die Sache "rideau de fer", Eiserner Vorhang.In dieser Retrospektive ist die Einrichtung für Oberhausen als Fortführung des "rideau de fer" zu erkennen.Wer also die Reichstagsverhüllung am schnellsten wieder erleben will, muß im Mai 1999 nach Oberhausen.Über die Gründe wollen wir nicht richten, dennoch: schade für Berlin.

MICHAEL S.CULLEN

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