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Kultur: Der Rollenspieler

In den letzten Jahren ist eine Kunstform entstanden, die mit dem Boygroup-Phänomen der Popmusik einiges gemeinsam hat. Sie ist zugleich milchgesichtig und charmant, postpubertär und durchtrieben, unbedarft aber komplex und überaus erfolgreich.

In den letzten Jahren ist eine Kunstform entstanden, die mit dem Boygroup-Phänomen der Popmusik einiges gemeinsam hat. Sie ist zugleich milchgesichtig und charmant, postpubertär und durchtrieben, unbedarft aber komplex und überaus erfolgreich. Wie Christian Jankowski: Jede seiner Ausstellungen ist so erkenntnisreich wie ein Lehrbuch und dabei so zynisch wie ein angetrunkener Kunstprofessor.

Womit Jankowski schon bei seinem aktuellen Thema wäre. Offenbar ist ihm aufgefallen, dass im Zuge der künstlerischen Selbstthematisierung in den neunziger Jahren ein Aspekt des Kunstbetriebs übersehen wurde: Die Ausbildung junger Künstler und Künstlerinnen an hiesigen Hochschulen und Kunstakademien. Diesen blinden Fleck nun greift er in seiner Ausstellung bei Klosterfelde auf. Die drei Arbeiten bespielen die Themen Ausbildung, Lehre und Karriere, wobei bespielen der richtige Ausdruck ist, denn sie wirken so unbemüht wie Popsongs. Akademismus, den man Künstlern früher vorgeworfen hat, wirkt bei Jankowski unweigerlich nett - vermutlich hat er auch das an seiner Kunstakademie gelernt. Man sollte deren Adresse empfehlen, denn immerhin hat sie ihn weit gebracht: Jankowski war 1999 Teilnehmer an der Biennale in Venedig, seine Arbeiten kursieren seitdem zwischen New York, Berlin und Hamburg - wo Jankowski studierte.

Weil er gelernt hat, dass moderne Kunst sich selbst thematisieren muss, hat er mit Unterstützung eines Seminars der Leipziger Kunstakademie einen Videolehrgang angefertigt. Der Titel der jüngsten Arbeit der Ausstellung musste einer sein, der selbst als Motto seiner gesamten Arbeit dienen konnte: Und wirklich, der "Schulungsfilm" mit dem Video-Seminar "Selbstpositionierung im Kunstfeld" passt zu Jankowski wie die Faust aufs Auge.

Um im akademischen Feld zu bleiben, hat er die Klasse der Kunstprofessorin Beatrice von Bismarck eingeladen, mit ihm ein Seminar im Videoformat zu entwickeln. Und weil verschachteln so viel Freude macht, hat das Seminar im Seminar wiederum Gäste aus dem aktuellen Berliner Kunstbetrieb eingeladen, mit denen sie sich schon immer mal unterhalten wollten. Der Clou des Video-Seminars besteht aber darin, dass die Gespräche mit den Berliner Gästen simuliert sind. Die Berliner Prominenz - unter anderem Waling Boers vom Büro Friedrich, Mehdi Chouakri aus der gleichnamigen Galerie oder Manfred Eichel aus dem Fernsehen - sagt nicht das, was sie denkt, sondern was die Leipziger Gastgeber ihnen in den Mund gelegt haben. Da im Kunstbetrieb ohnehin jeder nur eine Rolle spielt, ist die Differenz zwischen eigenem und fremdem Text nicht eben groß. So palavert man mit der fremden Stimme und spricht über den Kunstmarkt und Erfolgsstrategien, Publicity und Geld. Am Ende ist nur eines klar: dass der Erfolg im Kunstfeld von allem abhängt, aber nicht von der Kunst. So irrt Jankowski bewusst in den Labyrinthen des Kunstsystems umher und kommt immer an die selbe Stelle.

Richtig interessant wird dieses Labyrinth, als über des Pudels Kern, also über die Person Christian Jankowski geredet wird. Denn der hat das professionelle Video mit Moderator und allem Schnickschnack natürlich nur aus einem Grund gemacht: Weil er ungeheuren Spaß daran hat, die Strategien des Erfolges zu demontieren - und damit auch noch Erfolg zu haben. Und als everybodies darling im Betrieb kann sich Jankowski von seiner Mutter und Beatrice von Bismarck im Duett nach Belieben entlarven lassen. Von ihrem "beliebten, begabten Sohn" ist da die Rede und von einer "besonders scheußlichen Idee". Jedes böse Wort ist ein gutes Wort, jede Kritik ist eine gute Kritik. Jeder Angriff macht den Angegriffenen nur um so unangreifbarer. So zeigt Jankowskis Experiment am Ende nichts anderes als das Paradox, dass das Kunstsystem immer stabiler wird, je mehr man es in Frage stellt. Das ist dann nicht mehr nur charmant. Und das ist auch nicht mehr Pop. Aber treffsicher ist es doch.

Knut Ebeling

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