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Kultur: Der schöne Schein

Der Berliner Rechtsanwalt Stefan Haupt nimmt Beuys’ Motto „Kunst=Kapital“ wörtlich

JUNGE SAMMLUNGEN IN BERLIN (3)

In Berlin gibt es zu wenig Sammler. Das hört und liest man seit Jahren immer wieder. Und weil man es irgendwann nicht mehr hören möchte, haben wir uns auf die Suche begeben. Nicht nur nach den großen, bereits bekannten Sammlernamen, nach abgeschlossenen, international bedeutenden Kollektionen, die es selbstverständlich auch in Berlin gibt, sondern nach Menschen, die leidenschaftlich gern mit Kunst leben und sich deshalb eine Sammlung aufbauen.

Die Spur der Scheine führt direkt zu Stefan Haupt. In der Sammlung des Berliner Rechtsanwalts geht es „um Geldkunst, aber weniger um das Zahlungsmittel, eher um ein psycho-soziales Phänomen“. Nun wussten schon die Phönizier: Geld ist nur das Mittel, nie der Zweck. Diesen uralten Zauber nahm der Sammler gewissermaßen als Ausgangspunkt. Sein penibel geführtes Archiv – man könnte es auch das Kontobuch seiner Sammlung nennen – dokumentiert jede seiner Erwerbungen. Und begleitet so den chronologischen Werdegang seiner Leidenschaft. Er brachte ein gutes Stück Weg hinter sich, um vom Knochengeldbuch von Wolfgang Krause-Zwieback über Stücke von FischerArt, David Maaß, Lee Ming Wei oder Ingrid Andessner bis zu den beschriebenen Geldscheinen von Joseph Beuys zu kommen.

Stefan Haupt kannte diese Edition schon lange, wusste aber nicht, wie und wo er sie suchen sollte. „Das Forschen, Recherchieren und Finden macht für mich einen großen Reiz beim Sammeln aus.“ Besonders die Schriftzüge „Kunst = Kapital“ auf dem Zwanzigmark-Schein (West) und „Falschgeld“ auf dem Zwanzigmark-Schein (Ost) interessierten ihn. Die wollte er nebeneinander haben. Ein erstes Angebot lehnte der 41-Jährige aber ab. Nicht wegen des Preises, er misstraute der Gier. In jenem Herbst ließ er es bei einer Arbeit, die auf der Berliner Kunstmesse zu entdecken war. Die Koreanerin Ming Wei Lee stellte US-Dollar augenzwingernd als Origami-Skulpturen auf den Sockel.

Der Wunsch blieb trotzdem. Bis zum vierzigsten Geburtstag wollte Haupt ein Buch veröffentlichen, einen Marathon laufen und die Beuys-Arbeit erwerben. Sein Buch über die Urheberrechte in virtuellen Medien wurde rechtzeitig fertig. Auch der Marathon lag hinter ihm.

Trotzdem feierte er ohne die Scheine. Erst als er nicht mehr davon träumte, wurde das lange Warten belohnt. Und seit diesem Jahr gehören „Falschgeld“ und „Kunst=Kapital“ in die Sammlung. „Was für mich in den Scheinen steckt, sind die Geschichten, die ich mit Ostgeld und Westgeld verbinde. Mit dem Leben in einer geteilten Stadt. Das gehört zu meiner Biografie. Das Geld an sich reizt mich nie.“ Also sammelt er verwandelte Scheine. Geld wie gedruckt, wie zerschreddert es auch wurde. Mal versilbert, mal überschrieben, montiert oder aufgenagelt. Und redet er heute anders von Geld? „Wahrscheinlich nicht. Möglichst gar nicht. Und wenn überhaupt, dann wie alle anderen: völlig verklemmt.“

Thea Herold

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