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Kultur: Der Sindelfinger Zoo geht an die Börse - auf der Bühne

Weniger böse Satire auf das derzeitige Aktienfieber als vielmehr hektisch nach Pointen suchende FarceFrank Dietschreit Sie haben bei der Telekom nicht zugegriffen? Und die Papiere von Infineon haben Sie auch nicht gezeichnet?

Weniger böse Satire auf das derzeitige Aktienfieber als vielmehr hektisch nach Pointen suchende FarceFrank Dietschreit

Sie haben bei der Telekom nicht zugegriffen? Und die Papiere von Infineon haben Sie auch nicht gezeichnet? Dann sollten Sie aber bei der Emission von Zoo-Aktien unbedingt dabei sein. Das Wachstumspotential von Tiergehegen, die nach den Vorgaben der Eventkultur geführt werden, liegt doch auf der Hand. Das wollen uns Frau Dr. Puhl, die geschäftstüchtige Direktorin des Sindelfinger Zoos, und ihr umtriebiger Geld- und Imageberater, der Journalist Lester Keaton, mit allen Mitteln weismachen. Leider haben diese Mittel sehr viel mit grellem Klamauk und sehr wenig mit einer pfiffigen Komödie zu tun. Deshalb ist das, was dort so vorwitzig und laut im Foyer der Kammerspiele des Deutschen Theaters abläuft, auch keine böse Satire auf die vom Börsenfieber gepackte Spaßgesellschaft, sondern eine hektisch nach Pointen suchende Farce geworden.

Das mit Puppen und Menschen agierende THEATER KASOKA lässt bei der Uraufführung ihrer "Zooemission" nicht nur den Tierpark von Sindelfingen an die Börse gehen. Es macht auch das Theatergehäuse zum Reptilienhaus. Draußen vor dem Fenster huschen Schafe und Bären vorbei, zwitschert und zirpt es. Irgendwo tiriliert das Federvieh und brüllen Dickhäuter. Drinnen, dort wo wir die Bühne vermutet haben, liegt ein verschlungenes Etwas auf dem Tisch. Es ist nicht Kaa, der weise Felsenpython aus den zauberhaften Mowgli-Geschichten, sondern Rosie, die listige Anakonda mit den hypnotisierenden Augen. Sie hat den totalen Durchblick und setzt alles daran, den Börsengang ihres Zoos zu verhindern. Denn die hungrigen Tiere brauchen keine Optionen auf die Zukunft, sondern etwas zu beißen.

Günther, die archaische Echse, und all die durchs tumultöse Treiben krauchenden und flatternden Tiere, die zärtlichen Nachtschnecken und die ewig geilen Flugratten, die frechen Äffchen und fiesen Schakale, sogar der in einer Live-Schaltung zum Frankfurter Börsenparkett ins Mikro stotternde Dachs (!), sie alle sind allerliebste Geschöpfe. In den Händen von Melanie Sowa, Alexandra Kaufmann und Eva Gerber führen sie ein anrührendes und aufregendes Leben.

Weniger aufregend, sondern einfach nervig und albern ist das, was die drei Damen zusammen mit Thomas Gerber (als Journalist Lester Keaton) auf der Bühne treiben. Die Puppenspielerinnen sind keine Menschenspielerinnen, und vielleicht wollen sie es auch gar nicht sein. Jedenfalls hat Regisseur Christoph Kalkowski der dürftigen Story von David Gieselmann außer ein paar kurzatmigen Kaberettnummern nichts hinzuzufügen. Zum Finale gibt es ein niedliches Ballett der Schafe und ein schönes Feuerwerk, und dann verläuft sich die Geschichte im Nichts. Die Zoo-Aktien von KASOKA werden wir wohl doch lieber nicht zeichnen.Wieder am 9.3., 12., 16., 27.3., 21.00 Uhr

Frank Dietschreit

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