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Grenzgänger mit österreichischen Wurzeln. Peter Weibel.

© imago/SKATA/imago

Der Tausendsassa: Zum Tod des Kunstuniversalisten Peter Weibel

Peter Weibel war der Vater der zeitgenössischen Medienkunst. Nun ist er mit 79 Jahren gestorben.

Von Sebastian Strenger

Peter Weibel war ein Grenzgänger. In den Tagen des Wiener Aktionismus groß geworden, nahm er später in seinen kunsttheoretischen Betrachtungen viele Entwicklungen vorweg. Bis zuletzt sorgte er am Karlsruher Zentrum für Kunst und Medien (ZKM), als dessen langjähriger Museumsdirektor er fungierte, für Furore. Nun ist der Vater der Medienkunst nach kurzer schwerer Krankheit verstorben.

„Schiach, aber schee“, so nannte er das kleine Café unter einem Tonnengewölbe, den Ort vieler gemeinsamer Treffen am Franziskanerplatz 3 in Wien. Wendig und kontrovers sprach er, befeuert von einem osteuropäischen Kolorit mit dem rollendem R eines aus Odessa stammenden und in Österreich groß gewordenen Jungen, der sich auch im hohen Erwachsenenalter noch seiner Kindlichkeit bewahrt hatte. Seine Sätze begleitete gerne ein aufbrausendes oder verschmitztes Lachen.

Alle Rollen, die er in seinem Leben spielte, füllte er aus. Weibel war ein Tausendsassa und immer zu 100 Prozent mit Leidenschaft dabei. Und zwar schon im Februar 1968, als er sich von Valie Export an einer Hundeleine zunächst zu einer Vernissage in der Wiener Galerie nächst St. Stephan und eine Woche später dann über Wiens Kärntnerstrasse führen ließ. Der Mann am Gängelband der Frau – der bürgerliche Protest war gewaltig - und kalkuliert. Denn Weibel thematisierte bereits früh das Matriarchat als Gegenentwurf einer Gesellschaft, die von patriarchalen Strukturen geprägt war und übte, wie auch die Wiener Aktionisten, einen immer größer werdenden gesellschaftlichen Reformdruck auf die Politik dieser Tage aus.   

Weibel ein Aktivist? Bis zum letzten Atemzug, hätte er selbst gesagt. Aber vor allem für die Kunst. Es galt für den Aktions-, Performance-, Video-, Sound- und Fotokünstler, den minimalistischen Maler und Installationskünstler wie für den Kunsttheoretiker, Publizisten und Wissenschaftler. Und nicht zuletzt für den Kultur-Funktionär, der er auch war. Dabei war Weibel der Gegenwart oft fast seherisch voraus. Nicht nur aus dem Blickwinkel des digitalen Zeitalters, sondern auch als Transmitter und mit den Perspektiven des analogen Zeitalters.

Die Maschinen sind das Maß der Welt, nicht der Körper

Peter Weibel

Er war einer der Ersten, die für die Kunstwelt definierten, was es heißt, wenn sich Leute treffen, „die früher separierte Gemeinschaften bildeten, in der großen Gemeinschaft der sozialen Medien“. Es seien dies „die neuen Kirchen“ und „die neuen Parlamente“. In messerscharfen Analysen nahm er, als noch niemand daran dachte, das Massenphänomen Instagram und dessen Bedeutung für den Kunstbetrieb vorweg. Ebenso beschäftigte er sich früh mit dem Thema NFT-Kunst. Er betrieb wegweisende Ankäufe für das ZKM, wie etwa die Computer-Kunst der Spanierin Elena Asins. 

Weibel wurde vielfach ausgezeichnet. Er leitete von 1989 bis 1994 das von ihm gegründete Institut für Neue Medien an der Städelschule Frankfurt am Main Main und war von 1993 bis 1999 Österreichs Kommissar für die Venedig-Biennale sowie künstlerischer Leiter der Neuen Galerie am Landesmuseum Joanneum in Graz.

Noch vor einer Woche erhielt das ZKM zehn bedeutende Kunstwerke, die zwischen 1968 und 1993 entstanden sind, sowie große Teile des Archivs des Medienkünstlers und scheidenden ZKM-Chefs. Am vergangenen Mittwoch starb Peter Weibel kurz vor seinem 79. Geburtstag.

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