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Kultur: Der Umweg zahlt sich aus

Jedes Jahr im Mai gibt es ein Jazzfestival in Moers. Moers ist eine kleine Stadt am Rhein, oder, wie böse Zungen sagen, ein größerer Vorort von Duisburg.

Jedes Jahr im Mai gibt es ein Jazzfestival in Moers. Moers ist eine kleine Stadt am Rhein, oder, wie böse Zungen sagen, ein größerer Vorort von Duisburg. Aber immerhin hat Moers mit dem Jazzfestival ein Kulturereignis von internationalem Rang, eine Prestigeveranstaltung, die die Stadt mit 800 000 Euro bezuschusst. Offiziell nennt sich das Subvention. Vier Tage dauert das Musikfest, pro Tag zählt man 70 000 auswärtige Besucher, die essen und trinken und übernachten wollen. 7 Millionen Euro lassen sie in Moers, und die Subvention erweist sich weit über den Imagegewinn hinaus als vorzügliche Investition. So geht das.

Nordrhein-Westfalen, ein Land, das wie kaum ein anderes unter industriellen Strukturproblemen leidet, hat die Kulturwirtschaft als neue Wachstumsbranche entdeckt. Von 1996 bis 1999 sind die Umsätze in diesem Sektor um 20,7 Prozent auf 37,8 Milliarden Euro gewachsen, das macht 3,6 Prozent des Gesamtertrags aller Wirtschaftszweige in NRW aus. Parallel dazu kletterte auch die Anzahl der Arbeitsplätze im Kultursektor um 9 Prozent auf stolze 278 000. Deutlicher lässt sich die gestiegene volkswirtschaftliche Bedeutung der Kulturbranche kaum belegen.

Am falschen Ende gespart

Im touristischen Wettbewerb ist ein attraktives Angebot an kulturellen Veranstaltungen und Museen inzwischen eine Trumpfkarte. Und wo sollte die Partnerschaft von Kultur und Tourismus glücklicher sein als in Berlin? "Die Stadt wird in erster Linie als Kulturmetropole wahrgenommen", weiß Hanns-Peter Nerger von der Berliner Touristik-Gesellschaft. "Diesen Faktor kann man gar nicht überschätzen, hier liegt unsere große Stärke." Auch wenn Kunst natürlich keiner ökonomischen Legitimation bedarf, sind solche Statements gerade in Zeiten des Sparzwangs für die bedrängten Kulturschaffenden willkommene Rückendeckung. Allein: Mit Ausnahme des Musterlandes NRW mangelt es allerorten an verlässlichen und vor allem an aktuellen Zahlen, um das Offensichtliche zu untermauern. In Berlin hat es seit 1992 keine Studie mehr gegeben, die die positiven wirtschaftlichen Folgen öffentlicher Kulturausgaben, im Fachjargon "Umwegrentabilität" genannt, belegen könnte. "Als die Kultur noch nicht im Büßerhemd steckte, hat man solche Statistiken regelmäßig erfasst, nur um dann einfach so auf sie zu verzichten, als sie nützlich wurden. Da hat man am falschen Ende gespart", urteilt Klaus Siebenhaar, Professor für Kulturmanagement an der Musikhochschule "Hanns Eisler". Denn die alten Daten zeigen, dass etwa ein Theater durchaus als Wirtschaftsunternehmen funktionieren kann.

Neue Zahlen für die Hauptstadt

So wird noch heute gerne auf die angestaubte Formel zurückgegriffen, dass jede vom Staat fürs Theater ausgegebene Mark 1,6-fach zurückfließt - in Form von Steuerzahlungen, Lohnausschüttungen an die Theaterangestellten und Sachausgaben in der Privatwirtschaft.

Jetzt wurde beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung endlich eine neue Erhebung in Auftrag gegeben. Allerdings nicht von der Senatsverwaltung für Kultur, die Argumente für den Kampf ums eigene Budget eigentlich dringend nötig hat. Die Initiative geht vielmehr von der Industrie- und Handelskammer aus, die ihre Ergebnisse im Mai präsentieren will. Die neuen Zahlen, da sind die Experten sicher, werden die Tendenz des Vorgängergutachtens bestätigen: dass Kultur eben doch kein Parasit des Staates ist. "Der faktischen Kraft der Zahlen wird sich keiner verschließen können", sagt Siebenhaar. Und betont nochmal: "Keiner." Das dürfte den Finanzsenator mit einschließen.

Roman Deininger

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