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Im Plastikstudio. Nina Hoss spielt Hedda Gabler als Hollywood-Diva. Foto: Davids

© DAVIDS/Dominique Ecken

Deutsches Theater Berlin: Nina Hoss spielt Hedda Gabler

„Hedda Gabler“: Nina Hoss reitet in ihrer letzten Rolle am Deutschen Theater in Berlin durch die Filmgeschichte.

Schon lange vor ihrer Ankunft in Berlin eilten Stefan Puchers Ibsen-Inszenierung „Hedda Gabler“ drei Superlative voraus: Es handele sich um „die dümmste, denkfaulste, reaktionärste Version“, die man aus solch einem Stück überhaupt herausholen könne, befand die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ zur Premiere vor zwei Wochen in Recklinghausen. Derartige Verheißungen steigern die Vorfreude naturgemäß immens: Volles Haus also am hauptstädtischen Deutschen Theater, wo die Koproduktion mit den Ruhrfestspielen jetzt Berlin-Premiere feierte.

Tatsächlich ist die Generalstochter und Hobbyschützin Hedda, die sich aus Ekel vor der Mittelmäßigkeit ihres Kulturhistoriker-Gatten Jörgen Tesman regelmäßig zur väterlichen Waffensammlung flüchtet, zurzeit ausgesprochen bühnenpräsent. Am Münchner Residenztheater redet eine grandios übellaunige Birgit Minichmayr den Rest der Belegschaft in Grund und Boden. Und am Staatsschauspiel Dresden schmollt Hedda auf einem Flügel vor sich hin, weil ihr Mann, der sich in Aussicht auf eine sicher geglaubte Professur finanziell übernommen hat, ihre Pilatesstunden nicht mehr bezahlen kann. Dann setzt sie sich an ihren Laptop und lädt Ballerspiele herunter.

Gezeigt haben all diese jüngeren Generalstöchter vor allem eins: Leicht vergegenwärtigen oder gar küchenpsychologisch herunterdividieren lässt sich Frau Gabler, die das Leben lieber ruiniert als seine Mediokrität zu ertragen und ihr eigenes Zerstörungswerk dann auch mit konsequent zoologischem Interesse verfolgt, eben nicht. So gesehen ist Stefan Puchers Ansatz zunächst zumindest erfrischend: Der Regisseur inszeniert die Pistolenfreundin mit entsprechendem Ironie-Aufkommen als zeitenübergreifende Hollywood-Diva, die quasi mit jedem von Annabelle Witt entworfenen Kleid auch das Ambiente und den (film-)historischen Kontext in Barbara Ehnes’ Drehbühnenbild wechselt.

Hedda-Darstellerin Nina Hoss kann so in ihrer letzten Rolle am Deutschen Theater noch mal reüssieren, bevor sie zur kommenden Saison an die Schaubühne wechselt – und ist als leicht historisierender Abendkleid-Engel mit Fledermaus-Puffärmeln, als mondänes Zwanziger-Jahre-Zitat und als Schlaghosen-Braut gleichermaßen auf der Höhe ihrer – auch ironischen – Darstellungskunst.

Dass sie mit ihrem Langweiler-Gatten Tesman (Felix Goeser), der eine fatale Vorliebe für gemusterte Bade- und Morgenmäntel hegt, oder mit dem schmierigen Amtsgerichtsrat Brack (Bernd Moss) dabei wechselweise in einer signalroten Plastik-Lounge, einem loftartigen Studio oder einem schwarz-weißen Möbelkatalog-Albtraum hockt, wobei die Tonlagen vom Melodram zur Seifenoper, von der Salonklamotte zur Arthouse-Parodie (oder umgekehrt) variieren, erhöht zweifellos den Unterhaltungsfaktor.

Als Heddas ehemaliger Geliebter Eilert Lövborg auftaucht – ein Konkurrent ihres Mannes, der mithilfe der graumäusigen Thea Elvsted soeben ein bahnbrechendes kulturhistorisches Kompendium veröffentlicht hat – erweitert sich das Repertoire sogar in Richtung Musical: Anita Vulesicas Thea veräußert ihre Emotionen gern mal in einer Liebesschnulze. Und Alexander Khuons Lövborg, dem hier mit Schnauzer, Lederjacke und weißen Jeans ein überraschender optischer Brückenschlag zwischen Fassbinder und Schlagerfuzzi gelingt, greift notfalls auch mal zur E-Gitarre. Heddas Waffenvorliebe wiederum geht mit einer handfesten Western-Fixierung einher: Als Cowgirl schreitet oder reitet Nina Hoss in Meika Dresenkamps Video-Sequenzen wiederholt durch schwarz-weiße Prärien und knallt triumphal ihre männliche Kollegenschaft ab.

Aber wie das eben mit der kunstvollen Vorführung von Oberflächen so ist: Man hat sie – darin besteht ja eben gerade das Wesen des Eindimensionalen – nach 15 Minuten verstanden und fragt sich über die restlichen 90, ob einen dieser Ansatz noch irgendwo anders hinführen wird. Und als wahnsinnig verzweigt erweist sich der Weg im vorliegenden Fall eben nicht. Unterm Strich bleiben ein paar schöne, auch lustige Schauspielmomente insbesondere von Nina Hoss, Felix Goeser und Margit Bendokat. Letztere macht aus der verhuscht-übergriffigen Tantenrolle der Juliane Tesman, die ihren Neffen bei Ibsen biedermeierlich bemuttert, eine mit sämtlichen Verfremdungswassern gewaschene und von allen Altdamen-Klischees lässig emanzipierte Lachnummer – im besten Sinne des Wortes.

Wieder am 19. und 22. Mai, 19.30 Uhr

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