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Kultur: Dichtes Schneetreiben

Martenstein hat Männerfantasien und geht in den Keller

Was die Klimakatastrophe betrifft, gehört die Berlinale zu den Gewinnern. Wenn das mit der Hitze so weitergeht, wird Dieter Kosslick für seine Stars einen Badebus-Shuttle zum Wannsee einrichten müssen.

Als ich aus „Elegy“ kam, einer Verfilmung des Romans „Das sterbende Tier“ von Philip Roth, war ich der Ansicht, eine sogenannte bewegende Liebesgeschichte und einen großartigen Ben Kingsley gesehen zu haben. Roth gilt als einer der besten Autoren der Gegenwart, weil er keine Angst davor hat, seine miesen Seiten und Peinlichkeiten vorzuzeigen – dies scheint mir immer noch eine der wichtigsten Voraussetzungen für das Entstehen von nennenswerten Büchern zu sein. Der Film, der eine Beziehung zwischen einem Professor und einer dreißig Jahre jüngeren Studentin schildert, scheint aber, vor allem bei Kritikerinnen, massive Aggressionen auszulösen. Es sei halt wieder mal eine Männerfantasie. Bei Kindern wird immer ausdrücklich gelobt, wenn sie viel Fantasie haben, das finde ich den Männern gegenüber ungerecht. Außerdem kommt es massenhaft vor, dass Professoren mit Studentinnen schlafen. Die Kunst soll die Welt zeigen, wie sie ist, nicht so, wie Betrachter sie gerne hätten. Ein Kritiker bemängelt, dass die Romanszene, in welcher der Professor beim Klavierspielen onaniert, im Film nicht enthalten ist. Ich bin sicher, dass Ben Kingsley auch diese Aufgabe mit Eleganz erledigt hätte.

Dann ging ich zu einer Party ins Borchardt, das McDonald’s der Prominenten. Unter dem Borchardt haben sie das Kellergewölbe für die Raucher ausgebaut, eine halbdunkle Drogenhöhle mit Kerzenleuchtern und komplizenhaften Kellnern. Man fühlt sich wie im alten Chicago und hat instinktiv Angst vor einer Polizeirazzia. Eine Schauspielerin erzählte von dem Kokainproblem, das nicht wenige Berliner Prominente angeblich haben. Das sind Weimarer Verhältnisse, in der Weimarer Republik war es auch schon mal so. Seit man zum Rauchen vielerorts rausgehen muss, sei es schlimmer geworden, denn Koksen geht auch innen. Das heißt, wenn nicht bald die Klimaschutzvorschläge von Al Gore umgesetzt werden oder mindestens die von Barack Obama, können viele Berliner Kinder Schnee bald nur noch in den Nasen ihrer Eltern sehen.

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