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Kultur: Die afghanischen Taliban: "In Pakistan gibt es schon Nachahmereffekte" - Afghanistan-Experte Andreas Rieck über Gefahren der Talibanisierung

Andreas Rieck (46) ist Mitarbeiter am Orient-Institut in Hamburg und Experte für Afghanistan. Warum zerstören die Taliban?

Andreas Rieck (46) ist Mitarbeiter am Orient-Institut in Hamburg und Experte für Afghanistan.

Warum zerstören die Taliban?

Vordergründig berufen sie sich dabei auf den Präzedenzfall des Propheten Mohammed, der in seiner Heimatstadt Mekka Götzenbilder zerstörte. Aber vor allem zeugt die Handlung der Taliban von einem extremen puritanischen Fundamentalismus.

Was ist die politische Motivation?

Die richtet sich vor allem an die eigene Gefolgschaft. Denen soll gezeigt werden, wir haben die Macht, unseren, wie sie es nennen, islamischen Staat durchzusetzen. Mit solchen Maßnahmen wie der Zerstörung der Denkmäler kann man dem einfachen Soldaten Handlungsfähigkeit suggerieren.

Ist die Zerstörung auch Signal für neue militärische Offensiven, müssen sich die Anrainerstaaten fürchten?

Die militärische Macht der Taliban beschränkt sich bisher auf ihr vom Bürgerkrieg ausgeblutetes Land. Allerdings ist der ideologische Einfluss der Taliban in Pakistan sehr stark und wird auch in den zentralasiatischen Staaten wie Tadschikistan oder Usbekistan gefürchtet. In Pakistan gibt es seit Jahren Nachahmereffekte, zum Beispiel Gruppen, die sich Taliban nennen und Videoläden oder Kinos zerstören. Dort wird vor einer schleichenden Talibanisierung gewarnt. Die Gefahr ist, dass die islamistischen Hardliner in Pakistan immer mächtiger werden.

Wer kann sie denn kontrollieren, Russland, Pakistan oder etwa die UN und die Nato?

Pakistan hat eindeutig den größten Einfluss auf die Taliban. Es wird vermutet, dass es bei den militärischen Offensiven der Taliban auch eine versteckte Unterstützung von regulären pakistanischen Truppen gegeben hat. Das ist nicht belegt, zweifellos beziehen aber die Taliban ihren Waffennachschub aus Pakistan. Die Unterstützung der Taliban durch Pakistan erklärt sich durch das so genannte Konzept der strategischen Tiefe. Pakistan sieht sich einem übermächtigen Indien gegenüber. Vor allem die Militärs glauben, Pakistan brauche eine befreundete Regierung in Kabul, um eben diese strategische Tiefe zu erreichen.

Und der Westen und Russland schauen zu?

Der Westen hat sich in Afghanistan sehr zurückgehalten. Die UN-Vermittlungsaktion, die es seit den neunziger Jahren gibt, dient vor allem als Alibi. Für den Westen hatte Afghanistan im Prinzip mit dem Abzug der Russen 1989 seine strategische Bedeutung verloren. Erst durch das enorme Potenzial der Taliban zur Destabilisierung in der Region ist man aufgewacht. So kam es zu der Verhängung der UN-Sanktionen gegen die Taliban, die im Dezember 2000 verschärft worden sind. Doch hier geht es recht einseitig um das Ziel der Auslieferung des Terroristen Osama bin Laden. Die USA nähern sich jedoch inzwischen der russischen Linie an, das heißt, militärische Hilfe der Opposition und Eindämmung der Taliban.

Hintergrund: Stichwort: Die Buddha-Statuen von Bamiyan Die Taliban begannen ihren Siegeszug 1994 mit Hilfe Pakistans

Kann das Taliban-Regime wirtschaftlich überhaupt überleben?

Aus eigener Kraft nicht. Das Regime ist angewiesen auf umfangreiche humanitäre Hilfsleistungen, vor allem Nahrungsmittellieferungen. Internationale Hilfsorganisationen sind unerlässlich, um das Überleben vieler Afghanen zu gewährleisten. Aber die Taliban haben gelernt und wissen, dass aus humanitären Gründen ein Abzug der Hilfsorganisationen kaum in Frage kommt.

Warum zerstören die Taliban?

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