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Angriff der Cyberrebellen. Teenager Wade Watts (Tye Sheridan) und seine Kumpels Samantha Cook (Olivia Cooke), Daito (Win Morisaki) und Sho (Philip Zao).

© Warner Brothers

Steven Spielbergs "Ready Player One": Die Avatare sind wir

Retrofuturistisch: Steven Spielbergs Virtual-Reality-Spektakel „Ready Player One“ mangelt es an sozialen Utopien.

Von Andreas Busche

Die popkulturelle Sozialisation Steven Spielbergs ist geprägt von den vierziger und fünfziger Jahren, seine Filme sind beeinflusst von den Monsterfilmen seiner Kindheit, Abenteuer-Serials und „Tim und Struppi“-Comics. Er selbst hat den Achtzigern einige nachhaltige Pop-Signaturen verpasst, als Regisseur („E.T.“, die Indiana-Jones-Filme) und Produzent („Die Goonies“, „Zurück in die Zukunft“, „Die Gremlins“). Spielbergs Filme drehen sich immer wieder um das Thema der verlorenen Kindheit – beziehungsweise um die Utopie, diese Kindheit zu bewahren. Seine Protagonisten betrachten die Welt durch staunende Kinderaugen.

Seit „Schindlers Liste“ zeigt Spielberg auch zunehmend Interesse am Geschichtskino („München“, „Lincoln“), was sein Gesamtwerk heute zu einem seltenen Hybriden zwischen traditionellem Erzählkino und Blockbuster-Fantasien macht. Dass nun das Virtual-Reality–Spektakel „Ready Player One“ in die Kinos kommt, während „Die Verlegerin“ über Katharine Graham, die ehemalige Herausgeberin der „Washington Post“, noch läuft, veranschaulicht dieses interessante Paradox: Die Filme stellen die beiden Extreme in Spielbergs Kino dar. Der logistische und technische Aufwand von „Ready Player One“, der über die Hälfte seiner 140 Minuten in einem second life namens OASIS spielt, erklärt rückblickend vielleicht auch die kleinen Nachlässigkeiten von „Die Verlegerin“, der im Schatten des CGI-Blockbusters zum Nebenwerk degradiert wird. Der berufsjugendliche Spielberg fühlt sich im adoleszenten Science-Fiction-Kino sichtlich wohler, während seinen historischen Filmen immer ein wenig die pflichtbewusste Streberhaftigkeit demokratiefördernder Aufklärungsarbeit anhaftet.

Der heilige Gral der Popkultur

Spielberg nennt Ernest Clines Romanvorlage von 2011 den „Heiligen Gral der Popkultur“, man könnte Buch und Film allerdings auch als Potpourri sentimentaler Jugenderinnerungen abtun. Spielberg und Cline sind, obwohl ihre Pop-Sozialisationen 25 Jahre trennen, Brüder im Geiste. Erhellend ist an dieser Schnitzeljagd durch die Achtziger nichts – außer vielleicht der Tatsache, dass das retrofuturistische Design des DeLorean, der B-Movie-Held Buckaroo Banzai und Donkey Kong auch im Jahr 2045 scheinbar nichts von ihrer Faszination verloren haben.

Der Teenager Wade (Tye Sheridan) gehört zur Generation der missing millions, die sich vor der Wirklichkeit – seine Heimatstadt Columbus, Ohio ist ein Moloch, die Menschen leben in Shantytowns aus gestapelten Wohncontainern – in die virtuelle Realität der OASIS flüchten. Hier können die Mitspieler als digitale Avatare ihre Fantasien ausleben; um sich frei in der interaktiven Welt zu bewegen, braucht es bloß ein Laufband und eine VR-Brille. Halliday (Mark Rylance), der Erfinder der OASIS, eine Mischung aus Steve Jobs und Obi-Wan Kenobi, hat kurz vor seinem Tod noch ein Rätsel in der künstlichen Welt versteckt: Wer es löst, kontrolliert die OASIS. Nolan Sorrento (Ben Mendelsohn), ein abtrünniger Schüler Hallidays, versucht mit Hilfe der Polizei, die seinem IT-Imperium untersteht, Wade und einer Gruppe von Cyber-Revolutionären zuvorzukommen.

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Auf der reinen Handlungsebene war’s das eigentlich schon. Spielberg hat für die Benutzeroberfläche der OASIS ein visionäres Design entwerfen lassen, doch die Plotstruktur seines Films ist eher ein Rückfall auf das Niveau der Games aus den Neunzigern. Gleich am Anfang springt „Ready Player One“ in eine Verfolgungsjagd, die an eine IMAX-Version von „Super Mario Kart“ erinnert: Stadtbilder verschieben sich innerhalb von Sekunden und setzen sich neu zusammen.

Das Lichtdesign ist spektakulär

Die meiste Zeit bleibt die Handlung im Jump-and-Run-Modus eines Videospiels, die fantastischen Möglichkeiten einer künstlichen Realität dank CGI-Technik werden immer wieder von einem Überschuss an Handlungsmotivation ausgebremst. Das Lichtdesign zum Beispiel ist spektakulär. Überhaupt hat der Film seine besten Momente, wenn er sich auf die abstrakten Effekte und Bewegungsvektoren der Game-Oberfläche einlässt. Damit beschreibt „Ready Player One“ auch ein grundlegendes Dilemma von Spielbergs Kino: Es will gleichzeitig traditionell erzählen und technisch auf der Höhe der Zeit operieren. Irgendwo dazwischen könnte ein richtig guter Film sein, der auf Augenhöhe mit der aktuellen Blockbuster-Produktion liegt.

Das größte Problem von „Ready Player One“ ist der Mangel an sozialen Utopien, was man von guter Science Fiction ja immerhin erwarten könnte. Maß aller Dinge ist in dieser Hinsicht derzeit Disney, deren Jugendbuch-Adaption „Das Zeiträtsel“, die ebenfalls diese Woche in den Kinos startet, einen viel offeneren Anschluss an eine prägende Jugenderfahrung (der sechziger Jahre) findet. Auch Luc Besson gelang mit der im vergangen Jahr gnadenlos gefloppten Comicverfilmung „Valerian – Die Stadt der tausend Planeten“, woran Spielberg scheitert.

Sein Nostalgieparcours ist gepflastert mit Erinnerungen einer überschaubar homogenen Jugend-Sozialisation. Spielberg wurde in der Vergangenheit schon öfter vorgeworfen, das sein Kino tendenziell exklusiv ist – obwohl er bereits 1985 mit „Die Farbe Lila“ einen Schlüsselroman der jüngeren afroamerikanischen Literatur verfilmte. Spielberg ist sich dieses Mankos bewusst, Wade wird unter anderem vom neuen Shootingstar Lena Waithe und dem elfjährigen Newcomer Philip Zhao unterstützt. Integrativ wirkt dieses vorsichtige Make-over dennoch nicht. Das Gesellschaftliche bleibt in „Ready Player One“ so zeichenhaft wie ein – zugegeben – sehr gut implementierter Algorithmus.

in 27 Kinos, OmU: Kulturbrauerei, Central, FAF, Odeon, Rollberg, Moviemento, OV: Neukölln Arcaden, Colosseum, Zoo Palast, Delphi Lux, Sony Center, Imax

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