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Kultur: Die Berliner Gemäldegalerie durchleuchtet Altarbilder zweier Kölner Maler des späten Mittelalters

Vor 500 Jahren begann der Prozess, Kunst und Handwerk zu trennen und dem Erschaffer eines Kunstwerkes größere Bedeutung zuzuschreiben als dem Meister einer Werkstatt. Eine späte Blüte erlebte die gotische Malerei des ausklingenden Mittelalters, in dem das Prinzip der Werkstatt-Kunst seine Gültigkeit hatte, in der wohlhabenden Handelsstadt Köln.

Vor 500 Jahren begann der Prozess, Kunst und Handwerk zu trennen und dem Erschaffer eines Kunstwerkes größere Bedeutung zuzuschreiben als dem Meister einer Werkstatt. Eine späte Blüte erlebte die gotische Malerei des ausklingenden Mittelalters, in dem das Prinzip der Werkstatt-Kunst seine Gültigkeit hatte, in der wohlhabenden Handelsstadt Köln. Doch trotz der reichen Produktion sind kaum Quellen über Umfang der Werkstätten oder einzelne Maler überliefert. Zwei von ihnen, die den Notnamen "Meister des Aachener Altars" und "Jüngerer Meister der Heiligen Sippe" tragen, rückt die kleine Ausstellung "Zeitenwende" in der Berliner Gemäldegalerie in den Blickpunkt. Sie will die Namenlosen dabei aus jenem Schatten ziehen, in den der Glanz der bald darauf folgenden Künstlerheroen sie hat versinken lassen.

Besonders das prächtige Schauspiel der "Anbetung der Heiligen Drei Könige" hat mehr als nur die Bewunderung des Handwerks verdient. Im Glanz der Stoffe und dem erzählerischen Detailreichtum kündigt sich eine Freude an Malerei an, die nicht mehr nur spirituell begründet war. Mit den Heiligen Drei Königen, die seit der Überführung ihrer Reliquien nach Köln als Schutzpatrone der Reisenden und Kaufleute verehrt wurden, begannen die Stadtpatrizier auch sich selbst zu feiern. Reiterszenen am Rand verschränken die biblische Geschichte mit der profanen Welt.

In diesem Gemälde des "Meister des Aachener Altars" halten Putti einen rotgoldenen Brokatstoff als Baldachin über Maria. Diesen Engelchen galt die besondere Aufmerksamkeit der Kunsthistorikerin Ulrike Nürnberger. Denn mit Hilfe von Infrarot-Untersuchungen, die die Unterzeichnung erkennen lassen, konnte sie die Zusammengehörigkeit des Bildes mit einer Zeichnung aus dem Besitz des Louvre nachweisen. Dort halten noch regelrechte Engel in langen Gewändern den Baldachin. Das war, wie der Blick unter die Oberfläche erkennen lässt, auch im Gemälde geplant. Zu jener Zeit aber kamen die Putti in Mode, die ob ihrer Nacktheit eine sinnlichere Ausstrahlung hatten.

Dem "Jüngeren Meister der Heiligen Sippe" werden so viele Tafelbilder und Entwürfe für Kirchenfenster zugeordnet, dass die Historiker vor allem Größe und Organisation seiner Werkstatt interessierte: Wie hat sich sein Unternehmen auf die gute Auftragslage eingestellt? Wie wurde der Malprozess aufgeteilt? Was bedeutete dies für den Beginn der Säkularisierung der Kunst? Der "Allerheiligenaltar" lässt schon durch das einfache Nebeneinander der Figuren auf Arbeitsteilung schließen. Die Unterzeichnung, die ebenfalls mit einer Infrarotkamera aufgespürt wurde, bestärkt durch ihre Präzision, Farbangaben und die weitgehende Modellierung der Figuren diese These. Das Ausmalen konnte delegiert werden. Die Züge der verschiedenen Heiligen unterscheiden sich viel weniger voneinander als die Personen der "Anbetung", die stärker individuell charakterisiert sind. So deutet sich im Vergleich beider Bilder, die zwischen 1500 und 1510 entstanden, der Umbruch zur Neuzeit an.

Die kleine Sonderausstellung der Gemäldegalerie führt allerdings weniger in den Kontext der Kunst vor 500 Jahren zurück als vielmehr in die Werkstatt des Forschers von heute, der mit einem höchst diffizilen technischen Instrumentarium unter die Farbhaut des Bildes dringt. Den aufwendigen Methoden wird in der Schau beinahe mehr Aufmerksamkeit gewidmet als dem Gegenstand selbst. Wie das Werkstattkonzept, das im 20. Jahrhundert vom Bauhaus wiederaufgegriffen wurde, in der heutigen Diskussion um die Autonomie der Kunst produktiv werden könnte, haben sich die Ausstellungsmacher erst gar nicht gefragt. Schließlich hätten sie dann über die Grenzen des eigenen Hauses schauen müssen.

Die Gemäldegalerie will mit ihrer Ausstellungsreihe "Bilder im Blickpunkt" einzelne Werke der Sammlung dem Publikum erschließen. Leider geschieht dies im letzten Raum der im Untergeschoss gelegenen Studiogalerie, damit die Hängung des Hauptgeschosses ungestört bleibt. Der kunsthistorische Kanon wird in der Berliner Gemäldegalerie für sakrosankt erklärt. Es verwundert nicht, dass es dem Haus daraufhin schwerfällt, neue Perspektiven in der Geschichte der Malerei zu öffnen - und sich nebenbei beim Ranking der Museen zu positionieren.Gemäldegalerie, Kulturforum am Matthäikirchplatz, bis 18. Juni. Katalog 20 Mark.

Katrin Bettina Müller

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