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Kultur: Die Berliner Villa Oppenheim zeigt "Farbpartituren" des deutschen Malers

Beim Betreten der Villa Oppenheim fällt der Blick auf zwei große, nebeneinanderhängende Blätter in Pastellkreide. Heiter umspielt bei dem linken ein zarter Strichregen leuchtender Farben das Weiß des Papiergrunds.

Beim Betreten der Villa Oppenheim fällt der Blick auf zwei große, nebeneinanderhängende Blätter in Pastellkreide. Heiter umspielt bei dem linken ein zarter Strichregen leuchtender Farben das Weiß des Papiergrunds. Die Andeutung verdichtet sich zur lebensgroßen Figur. Tino Bierlings "Stele (männlich)": eine sanfte Geburt des Geistes aus flüchtiger Materie. "Skylla und Charybdis" ist dagegen völlig abstrakt. Furiose Farbwirbel tosen. Auch ohne den Titel zu kennen, meint der Betrachter die Brandung des Meeres zu hören.

Begonnen hat Bierling anders. Während seines Kunststudiums in München entstanden düstere, akribisch genaue Ölbilder im Stil des Magischen Realismus. 1966 kam er nach Berlin. Drei Jahre später, zur Zeit der Hippiebewegung, übersiedelte Bierling auf die Insel Ibiza. Zurückgezogen in seinem Bauernhaus entwickelte er Bilder spontanen Ausdrucks. Im Licht der Petroleumlampe malte er Mandalas, Farbkreise, meditative Landschaften, immer wieder die Bucht von Xaracca. 1973 nach Berlin zurückgekehrt, verdient sich Bierling seinen Lebensunterhalt zunächst als Karikaturist bei einer österreichischen Zeitung, später als Kurator beim DAAD. Zuletzt betreute er die Museumsdepots der Berlinischen Galerie.

In den 80er Jahren hatte er sein Atelier in der Pohlstraße. Für ihn war dies die Zeit der großformatigen Pastelle und vielschichtigen Aquarelle. Es entstanden Bilder, die ganz aus der Farbe leben und der Rhythmik der körperbezogenen Geste entspringen. Intensive Beschäftigung mit Mythologie und östlicher Philosophie regten ihn dazu an. Vor allem aber zeichnet Bierling seine abstrakten Bilder in Zwiesprache mit der Natur.

Regentropfen, Sonne, Quellwasser haben an den Blättern mitgewirkt. Sie sind aus der Stimmung des Moments erwachsen. Eberhard Roters, Gründungsdirektor der Berlinischen Galerie, widmete diesem Blatt eine seiner poetischen und treffenden Beschreibungen. Bierlings Werke charakterisiert er als "Farbpartituren", die der Stille bedürfen, sollen sie gehört werden. Die Retrospektive konzipierte Ursula Prinz, stellvertretende Direktorin der Berlinischen Galerie. Roters Text stellt sie in einer Vitrine aus, neben Bierlings Bild zu dem handgeschriebenen Hafis-Gedicht: "Komm, denn das Wundergebäude ist zerbrechlich ...". Beiden hätte es gefallen. Im letzten Jahr starb Bierling nach schwerer Krankheit.Villa Oppenheim, Schlossstr. 55 bis 24. Oktober; Dienstag, Donnerstag und Freitag 11-17 Uhr, Mittwoch 11-19 Uhr, Sonntag 11-16 Uhr. Katalog 24 DM.

Elfi Kreis

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