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Kultur: Die blinde Kuh von Moabit

Berlins Hansa-Theater startet neu mit der „Komödie im Dunkeln“

Das Stück hat längst begonnen, da ist es noch immer stockduster. Brindsley Miller und seine Freundin Carol bereiten sich in der Finsternis auf ihre Gäste vor, reden, telefonieren, und beim Auflegen einer Musikplatte geschieht der Knall: ein Hauptkabel schmort durch, der Strom fällt aus – es wird hell auf der Bühne. Endlich kann man sehen, dass die fiepsige Stimme von Carol zu einer überschminkten Blondine im geblümten Mädchenkleid gehört und Brindsley in Hose und weißem Hemd ganz unauffällig neben ihr steht. Nur sehen die beiden jetzt selbst nichts mehr, tasten und tapern sich blind durch den Raum. Das ist der schöne Trick in Peter Shaffers „Komödie im Dunkeln“, mit der Regisseur Stefan Lehnberg nun das Moabiter Hansa-Theater wieder eröffnet hat: Auf der Bühne macht den Figuren der Stromausfall zu schaffen, und während die Schauspieler simulieren, nichts zu sehen, sehen die Zuschauer alles, was passiert, wenn man nichts sehen kann. Dem großen Kurzschluss folgen viele kleine, weil sich allerlei Besuch angekündigt hat: Carols Vater, Ex-Freundin Clea, ein Millionär, der sich die Bilder des erfolglosen Künstlers Brindsley ansehen will.

Ein feiner Slapstickstoff. So leichthändig wie Shaffer diese Komödie geschrieben hat, entzieht er den Ereignissen jeden Ernst, in dem er demonstrativ mit ihnen spielt – Monty Python gibt die Motive vor. Nur geraten die in Lehnbergs Inszenierung nicht ins Funkeln. Die Schauspieler mühen sich, komisch zu sein, reißen Mund und Augen auf, pressen aus dem Blinde-Kuh-Spiel Lachtremoli heraus. Martin Klodzinsky als Brindsley muss schweißtreibende Stolperarbeit leisten. Heimlich hatte er aus der Wohnung seines Nachbarn Harold Möbel ausgeliehen, um für den Millionär Godunow die eigene Bude herauszuputzen. Godunow lässt auf sich warten, stattdessen kehrt verfrüht der homophile Harold zurück, den Wolfgang Grindemann sehr pressiert gibt. Nun muss Brindsley unter Verrenkungen die Möbel den Gästen unterm Hintern weg in die Nachbarwohnung zurückschaffen. Zu allem Unglück taucht noch Ex-Freundin Clea (Katharina Schlaak) auf, um ihre Liebesrechte zuverteidigen, und das Durcheinander ist perfekt, als der Elektriker vor die Kunstwerke gezerrt wird, weil ihn alle für den Millionär halten. Michael Traynor versteht es als Einziger, seine Figur im Hell-Dunkel auszuleuchten, ihr im Chaos jene Ruhe zu verleihen, aus der sich komödiantisches Tempo entwickelt.

Aber ein Treffer ins Schwarze reicht für den ganzen Abend nicht aus; alles andere freilich wäre ein Theaterwunder gewesen. Vor wenigen Wochen erst hat Andé Freyni, zehn Jahre lang technischer Leiter, das Haus übernommen, Papierbeschwörungen ausgesprochen, Mitarbeiter zusammengetrommelt, in Windeseile den Berliner Mutterwitz aus dem Haus getrieben. Einen künstlerischen Höhenflug hätte man ihm zum Start gewünscht. Doch dem neuen Witz fehlt der Auslauf, die Komödie klebt erdenschwer auf der Stelle. Die Lichter sind im Haus zwar wieder angeschaltet, aber noch ist kein Licht ins Dunkel gebracht. Simone Kaempf

Wieder vom 14. bis 17., vom 21. bis 24. sowie am 28. und 30./31. August, jeweils um 20 Uhr; am 18. und 25. August um 16 Uhr.

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